Rezidivprophylaxe affektiver Störungen mit Lithium Synopsis
1. Bei der Langzeitbehandlung affektiver Störungen wird zwischen
Erhaltungstherapie (Verhinderung eines Rückfalls während der noch nicht
vollständig abgeklungenen Krankheitsepisode) und Rezidivprophylaxe
(Verhinderung von zukünftigen Phasen/Rezidiven) unterschieden. Zur
Erhaltungstherapie wird die in der depressiven bzw. manischen Verstimmung
verabreichte Medikation für vier bis sechs Monate weitergeführt. Zur
Rezidivprophylaxe werden als stimmungsstabilisierende Substanzen vorwiegend
Lithium und Antidepressiva sowie neuerdings auch Antikonvulsiva eingesetzt.
2. Eine Indikation zu einer medikamentösen Rezidivprophylaxe ergibt sich, wenn
eine hohe Rezidivfrequenz zu erwarten ist. Bei den bipolaren affektiven Störungen
(mit manischen und depressiven Phasen) besteht eine höhere Rezidivfrequenz
als bei unipolaren Depressionen (mit ausschließlich depressiven Phasen).
Außerdem steigt die Rezidivfrequenz mit Anzahl und Frequenz der bereits
3. Kontrollierte Studien zur rezidivprophylaktischen Wirksamkeit von Lithium im
Vergleich zu Placebo bzw. zu keiner Medikation zeigen, dass die Wirksamkeit von
Lithium bei bipolaren Störungen gegenüber manischen Rezidiven als
nachgewiesen, gegenüber depressiven Rezidiven als gut belegt und bei
unipolaren Depressionen als ausreichend geprüft gelten kann.
4. Bei unipolaren Depressionen liegen zur rezidivprophylaktischen Wirksamkeit von
Lithium im Vergleich zu tri- und tetrazyklischen Antidepressiva widersprüchliche
Befunde vor: In den meisten Studien wird eine stärkere oder zumindest gleiche, in
einer Studie geringere Wirksamkeit von Lithium beschrieben. Bei bipolaren
Störungen sind die Befunde zum Vergleich der rezidivprophylaktischen
Wirksamkeit von Lithium und Antikonvulsiva noch nicht schlüssig.
5. In Studien, die in Lithium-Spezialambulanzen durchgeführt wurden, und in denen
der Krankheitsverlauf vor oder unter Lithium intraindividuell verglichen wurde, fand
sich in ca. 65%--80% der behandelten Fälle ein Therapieerfolg. Dieser zeigte sich
in völliger Rezidivfreiheit („Response”) oder in einer Verminderung der Häufigkeit,
des Schweregrades bzw. der Dauer der Rezidive („partielle Response”). Ein
Therapieversagen („Non-Response”) lag bei 20% bis 35% der Patienten vor.
Naturalistische Studien unter gewöhnlichen Praxisbedingungen zeigen über lange
Zeiträume eine deutlich geringer ausgeprägte rezidivverhütende Effektivität von
Einleitung
Der Bericht von Cade (1949) über die erfolgreiche Behandlung manischer
Zustandsbilder mit Lithium veranlasste eine Reihe von Forschern dazu, die
Wirksamkeit von Lithium bei Manien zu überprüfen. Dabei wurde beobachtet, dass
unter fortgesetzter Lithiumbehandlung erwartete weitere manische und depressive
Phasen nicht auftraten (Noack u. Trautner 1951; Schou et al. 1954; Hartigan 1963;
Baastrup 1964). Inzwischen ist die Rezidivverhütung bei affektiven Störungen die
bedeutendste Indikation von Lithium. Nach erfolgreicher Therapie der akuten
Symptomatik einer affektiven Störung besteht das weitere Ziel der Behandlung darin,
das Wiederauftreten der Symptomatik zu verhindern. Hierbei hat es sich als sinnvoll
erwiesen, zwischen Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe zu unterscheiden
(Klein et al. 1980; Greil u. Schmidt 1985; Frank et al. 1991; Kasper u. Kaspar 1994;
Prien u. Kocsis 1995). Abb. 1 zeigt den natürlichen Krankheitsverlauf
(durchgezogene Linie) und den Verlauf unter Akut-, Erhaltungs- und
rezidivprophylaktischer Therapie (gepunktete Linie). Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe
Die Erhaltungstherapie (continuation treatment) beginnt, wenn die akute
Symptomatik abgeklungen ist (Remission, englisch: remission). Dabei wird von der
Vorstellung ausgegangen, dass unter antidepressiver oder antimanischer Medikation
die manifeste Symptomatik unterdrückt wird, der zugrundeliegende
Krankheitsprozess dagegen unbeeinflusst bleibt. Wenn nach Remission der
Symptome die Behandlung abgebrochen wird -- noch bevor der natürliche
Krankheitsverlauf zum vollständigen Abklingen der Krankheitsphase geführt hat --
kann es zum Wiederauftreten der Symptomatik (zum Rückfall, englisch: relapse)
In Studien, in denen die Patienten nach einer erfolgreichen medikamentösen
Behandlung einer depressiven Phase entweder auf Placebo umgesetzt oder weiter
antidepressiv behandelt wurden, ergab sich eine deutlich höhere Rückfallquote bei
Patienten, die Placebo erhielten (56% versus 24%; Tabelle 1). Bei der Interpretation
der Befunde muss allerdings berücksichtigt werden, dass in der Placebogruppe
durch das abruptes Absetzen der bisher gegebenen wirksamen Medikation
Absetzeffekte (Greil u. Schmidt 1988) aufgetreten sein könnten, die als depressive
In den Studien zur Erhaltungstherapie werden die Antidepressiva, die in der
Akuttherapie gegeben wurden, in unveränderter Dosierung weiterverabreicht (s.
Tabelle 1). Für die Praxis wird aber auch vorgeschlagen, die Dosis der
Antidepressiva während der vier- bis sechsmonatigen Erhaltungstherapie zu
reduzieren, insbesondere wenn beeinträchtigende unerwünschte Wirkungen
bestehen, und gegebenenfalls bei Wiederauftreten depressiver Symptome die
Dosierung erneut rasch zu erhöhen (Solomon u. Bauer 1993; Prien u. Kocsis 1995).
Nach Abklingen manischer Episoden wird ebenfalls eine mehrmonatige
Erhaltungstherapie (z.B. mit Lithium) empfohlen.
Die Rezidivprophylaxe (maintenance treatment) schließt an die Erhaltungstherapie
an. Sie setzt im krankheitsfreien Intervall („Genesung”, englisch: recovery) ein und
dient dazu, das Auftreten zukünftiger Krankheitsphasen (von Rezidiven, englisch:
recurrence) zu verhüten (siehe Abb. 1). Die Wirksamkeit von Lithium bei der
Rezidivprophylaxe affektiver Störungen wurde in Studien mit Kontrollgruppen
(Lithium im Vergleich zu Placebo oder Antidepressiva) und in Studien mit
intraindividuellem Vergleich (Krankheitsverlauf vor und unter Lithium) untersucht.
Neuerdings wird auch die rezidivverhütende Effektivität von Antikonvulsiva intensiv
Nicht in all diesen Studien wurde der Unterschied zwischen einer
symptomsuppressiven Erhaltungstherapie und einer rezidivprophylaktischen
Langzeitbehandlung beachtet. Dies erklärt sich teilweise aus der Schwierigkeit,
zuverlässig festzustellen, wann die Krankheitsphase tatsächlich abgeklungen ist (vgl.
methodische Überlegungen in Kap. 6.1). Spontanverlauf affektiver Störungen
Die Notwendigkeit einer Rezidivprophylaxe affektiver Psychosen ergibt sich aus
Untersuchungen zum Spontanverlauf (Kraepelin 1909; Lundquist 1945; Stenstedt
1952; Perris 1966; Angst 1980, 1981a, b; Übersichten bei Zis et al. 1979; Goodwin u.
Jamison 1990). Die Studien zeigen übereinstimmend, dass affektive Störungen
Bipolare affektive Störungen (mit depressiven und manischen Phasen) weisen eine
wesentlich höhere Rezidivfrequenz auf als unipolare Depressionen (mit
ausschließlich depressiven Phasen) (Stenstedt 1952; Perris 1966, 1968; Zis u.
Goodwin 1979; Angst 1980). Innerhalb eines Beobachtungszeitraumes von ca. 20
Jahren hatten 92% der bipolaren, aber nur 51% der unipolaren Patienten vier oder
mehr Phasen durchgemacht (Angst 1980).
Die Phasenfrequenz wird auch von der Anzahl der vorausgehenden Episoden
beeinflusst: mit zunehmender Phasenzahl nimmt die Zyklusdauer (Abstand zwischen
dem Beginn einer Phase bis zum Beginn der nächsten Phase) ab, d.h. die freien
Intervalle werden im Verlauf der Erkrankung immer kürzer. Die mittlere Zyklusdauer
reduziert sich vom ersten zum dritten Zyklus bereits auf die Hälfte (Angst 1980; Prien
1983). Die Länge eines Zyklus steht außerdem mit der Dauer des vorausgehenden
Zyklus in Beziehung: je kürzer der Abstand zwischen den beiden letzten Phasen,
desto rascher folgt die nächste Phase, wie Zis et al. (1980) für bipolare Störungen
Zusammenfassend ergibt sich, dass ein hohes Rezidivrisiko insbesondere bei
Patienten mit bipolaren affektiven Störungen besteht. Weiterhin ist anscheinend die
Rezidivfrequenz bei affektiven Störungen um so höher, je mehr Krankheitsphasen
bereits abgelaufen sind, und je kürzer die Abstände zwischen den beiden letzten
Indikationskriterien für eine Rezidivprophylaxe
Eine medikamentöse Rezidivprophylaxe ist nur dann erforderlich, wenn eine hohe
Rezidivfrequenz zu erwarten ist. Um Kriterien zur Indikationsstellung zu erarbeiten,
hat Angst (1981a, b) aus einer 20jährigen Verlaufsuntersuchung an insgesamt 404
Patienten mit unipolaren und bipolaren affektiven Psychosen sowie mit
schizoaffektiven Psychosen statistische Analysen zum Rezidivrisiko durchgeführt.
Bei den Berechnungen wurde angenommen, dass eine medikamentöse
Dauerbehandlung zur Rezidivprophylaxe gerechtfertigt ist, wenn in den folgenden
fünf Jahren mindestens zwei weitere Krankheitsphasen auftreten
Bei den bipolaren Störungen wird dieses Katamnesekriterium -- zwei Phasen in den
folgenden fünf Jahren -- nach der zweiten Krankheitsphase in 60% der Fälle erfüllt,
bei den unipolaren Depressionen nach der dritten Phase in 50%. Zum Erkennen
besonders rezidivgefährdeter Patienten hat es sich als günstiger erwiesen, nicht von
der absoluten Zahl der vorausgegangenen Phasen auszugehen, sondern von der
Phasenfrequenz, d.h. von der Anzahl der Phasen während eines bestimmten
Tabelle 2 gibt die Wertigkeit verschiedener Selektionskriterien wieder. Bei den
bipolaren Psychosen werden mit dem Auswahlkriterium, dass mindestens zwei
Phasen innerhalb von vier Jahren aufgetreten sein müssen, 65% aller Patienten
erkannt, die in fünf Jahren zwei weitere Phasen erleiden werden. Der Prozentsatz an
„Überbehandlung” (21% „falsch positive Indikationen”; rechte Spalte von Tabelle 2)
kann in Kauf genommen werden, da auch diese Patienten höchstwahrscheinlich
weitere Rezidive, wenn auch in größerem zeitlichen Abstand, erleiden werden.
Für die unipolaren Depressionen erwies sich das Selektionskriterium „mindestens
zwei Phasen in fünf Jahren” als besonders günstig (50 Relativprozent richtig
erkannter Fälle bei 19 Relativprozent falsch positiver Indikationen). Mit dem Kriterium
für die schizoaffektiven Psychosen „zwei Phasen in drei Jahren” werden 43% richtig
In die kontrollierten Studien zur Effektivität einer Lithiumprophylaxe wurden meist
Patienten mit einer wesentlich höheren Phasenfrequenz aufgenommen, z.B. mit
mindestens zwei Phasen in den zurückliegenden zwei Jahren oder mindestens drei
Phasen in drei Jahren (Tabelle 3). Patienten, welche diese Auswahlkriterien erfüllen,
haben ein sehr hohes Rezidivrisiko, und der Erfolg einer medikamentösen
Rezidivverhütung kann bereits nach einer Beobachtungszeit von ein bis zwei Jahren
hinlänglich beurteilt werden. Andererseits sind die Ergebnisse dieser Studien nicht
ohne weiteres auf Patienten mit einer niedrigeren Phasenfrequenz und einer
längeren Behandlungszeit übertragbar.
In die nicht kontrollierten, katamnestischen Untersuchungen dagegen, wurden auch
Patienten einbezogen, bei denen seltener Phasen aufgetreten waren und bei denen
nach klinischen Kriterien die Indikation zu einer Lithiumprophylaxe gestellt wurde.
Dabei wurden die Krankheitsverläufe vor und unter langjähriger Lithiumprophylaxe
vergleichend ausgewertet. Obwohl diese Studien methodisch nicht den gleichen
hohen Ansprüchen genügen wie kontrollierte Untersuchungen, können ihre
Ergebnisse besser auf die klinische Praxis einer Lithiumdauerbehandlung übertragen
werden. In naturalistischen Studien wird der Wert einer Lithiumprophylaxe unter den
üblichen Bedingungen der ärztlichen Praxis geprüft. (Zur Indikationsstellung und
Effektivität einer Lithiumprophylaxe: kontrollierte Studien
In neun kontrollierten Studien wurde die phasenprophylaktische Wirksamkeit von
Lithium im Vergleich zu Placebo (bzw. zu keiner Medikation) bei uni- und bipolaren
affektiven Psychosen untersucht (Baastrup et al. 1970; Melia 1970; Coppen et al.
1971; Cundall et al. 1972; Hullin et al. 1972; Persson 1972; Prien et al. 1973a;
Stallone et al. 1973, Dunner et al. 1976). Acht dieser Studien wurden unter
Doppelblindbedingungen durchgeführt (Lithium- im Vergleich zu Placebogruppen),
bei einer Studie (Persson 1972) wurden sogenannte historische Kontrollen
verwendet, d.h. Lithiumpatienten wurden Kontrollpatienten, die einige Jahre zuvor
keine Lithiumprophylaxe erhalten hatten, zugeordnet und mit diesen verglichen
(„matched design”). Einzelheiten der Methodik und der Ergebnisse der Studien sind
In den Untersuchungen zeigte sich, dass während der Beobachtungsperioden von
bis zu 28 Monaten statistisch signifikant weniger Patienten unter Lithium Rezidive
erlitten als Patienten der Vergleichsgruppen. In der Studie von Melia (1970) konnten
keine statistisch gesicherten Unterschiede (zugunsten von Lithium) nachgewiesen
werden, was möglicherweise auf die geringen Fallzahlen (jeweils n = 9)
zurückgeführt werden kann. Aber auch in dieser Studie fand sich als deutlicher
Hinweis auf die Wirksamkeit eine längere rückfallfreie Zeit in der Lithiumgruppe (433
Für bipolare affektive Psychosen stellt sich die Frage, ob Lithium manische und
depressive Rezidive mit gleicher Wirksamkeit verhindern kann. Die Verhütung
manischer Rezidive wurde in den meisten Studien nachgewiesen, in denen eine
Differenzierung in manische und depressive Rezidive vorgenommen wurde
(Baastrup et al. 1970; Cundall et al. 1972; Prien et al. 1973a; Stallone et al. 1973).
Dagegen ist die rezidivprophylaktische Wirksamkeit von Lithium für die depressiven
Rezidive der manisch-depressiven Erkrankung weniger eindrucksvoll belegt. In allen
Studien war die Häufigkeit depressiver Rezidive unter Lithium zwar geringer als unter
Placebo, in einigen Untersuchungen konnte dieser Unterschied aber statistisch nicht
gesichert werden (Cundall et al. 1972; Prien et al. 1973a; Stallone et al. 1973;
Für unipolare Depressionen erwies sich in drei Studien Lithium im Vergleich zu
Placebo (bzw. zu keiner Medikation) als signifikant überlegen (Baastrup et al. 1970;
Coppen et al. 1971; Persson 1972). In einer Untersuchung, in die allerdings nur vier
Patienten pro Gruppe einbezogen wurden, konnte kein Unterschied zwischen
Lithium und dem Placebopräparat nachgewiesen werden (Cundall et al. 1972).
Bei einer zusammenfassenden Auswertung der genannten neun kontrollierten
Studien (s. Tabelle 3) berechnete Schou (1978) die Rückfallquote bei uni- und
bipolaren Psychosen bezogen auf einen Behandlungszeitraum von einem Jahr. Für
beide diagnostische Untergruppen ergab sich eine gleich gute prophylaktische
Wirksamkeit von Lithium. Die Rezidivhäufigkeit betrug bei Patienten mit unipolaren
Depressionen unter Lithium (n = 76) 22% und unter Placebo (n = 77) 65%; bei
Patienten mit bipolaren Verläufen unter Lithium (n = 180) 20% und unter Placebo (n
Diese Zahlen belegen, dass Lithium bei der Rezidivverhütung affektiver Psychosen
einer Placebo- bzw. einer Nichtbehandlung überlegen ist. Die angegebenen
Häufigkeiten rezidivierender Patienten geben sogar eher ein zu ungünstiges Bild
über die Effektivität einer Lithiumprophylaxe. Denn die unter Lithium als „rückfällig”
klassifizierten Patienten zeigten meist weniger und mildere Rezidive als die
rezidivierenden Patienten der Kontrollgruppen (Coppen et al. 1971; Cundall et al.
1972; Persson 1972; Prien et al. 1973a; Stallone et al. 1973; Dunner et al. 1976).
Andererseits wird an den Studien kritisiert, dass es sich bei ihnen teilweise um
Absetzstudien handelt, wodurch in den Placebogruppen der ungünstigere Verlauf
nach abruptem Absetzen von Lithium durch „rebound”-Psychosen mitbedingt sein
könnte (Moncrieff 1995). Eine Häufung vor allem manischer Zustände nach
abruptem Absetzen von Lithium ist in mehreren kontrollierten Studien nachgewiesen
worden (Übersicht: Suppes et al. 1991), unter anderem in einer eigenen Studie
(Klein et al. 1981; Greil et al. 1982). (Zum Phänomen des Absetzeffekts siehe auch
In insgesamt sieben kontrollierten Studien (z.T. mit Placebogruppen) wurde die
rezidivprophylaktische Wirksamkeit von Lithium im Vergleich zu Antidepressiva
untersucht (Prien et al. 1973b; Coppen et al. 1976, 1978b; Quitkin et al. 1981; Kane
et al. 1982; Glen et al. 1984; Prien et al. 1984; Tabelle 4; vgl. Kap. 6.1).
Prien et al. (1973b) fanden, dass bei bipolaren Störungen depressive Rezidive durch
Lithium und Imipramin günstig beeinflusst wurden, dass aber unter Imipramin
vermehrt manische Rezidive im Vergleich zu Lithium auftraten. Die Beobachtung,
dass in der Imipramingruppe nicht mehr manische Rezidive auftraten als unter
Placebo, spricht gegen die Annahme einer durch Imipramin induzierten Provokation
manischer Rezidive (Bunney 1978; Lewis u. Winokur 1982) und weist eher auf einen
fehlenden prophylaktischen Schutz gegenüber manischen Episoden durch das
Antidepressivum hin. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Imipramin zur
Phasenprophylaxe bipolarer Störungen nicht empfohlen werden kann.
Bei den unipolaren Depressionen dagegen war Imipramin in dieser Studie ebenso
wirksam wie Lithium und deutlich wirksamer als Placebo (Prien et al. 1973b). Kane et
al. (1982) dagegen fanden sowohl für bipolare wie auch für unipolar depressive
Störungen nur Lithium prophylaktisch wirksam, Imipramin dagegen unterschied sich
nicht wesentlich von Placebo. Im Gegensatz dazu war in einer neueren
Untersuchung Imipramin bei unipolaren Depressionen wirksam, Lithium dagegen
einer Placebobehandlung nicht überlegen (Prien et al. 1984).
Diese widersprüchlichen Ergebnisse sind vermutlich durch unterschiedliche
Patientenauswahl und unterschiedlichen Studienablauf bedingt. Kane et al. (1982)
schlossen nur solche Patienten in ihre Untersuchung ein, die eine vollständige
Remission der Erkrankung zeigten. Diese mussten vor Studienbeginn ein
beschwerdefreies Intervall von mindestens sechs Monaten aufweisen. In dieser
Studie wurde somit eindeutig die rezidivprophylaktische Wirksamkeit der
untersuchten Medikamente (Lithium, Imipramin, Placebo) verglichen. Prien et al.
(1984) dagegen nahmen in ihre Untersuchung möglicherweise auch Patienten auf,
deren depressive Phase („Indexepisode”) noch nicht abgeklungen war, und die
teilweise eine vollständige Remission nicht erreichten. In dieser Untersuchung sind
daher symptomsuppressive Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe nicht klar zu
trennen. Außerdem zeigte eine statistische Re-Analyse der Ergebnisse der Studie
von Prien et al. (1984), dass in der Lithium- und Placebogruppe durch abruptes
Absetzen der vorausgehenden Imipraminbehandlung Absetzphänomene und eine
hohe Drop-out-Rate die Ergebnisse verfälscht haben könnten (Greenhouse et al.
Lithium ist entsprechend den Befunden der dargestellten Studien bei der
Rezidivprophylaxe unipolarer Depressionen mit guter Remission wirksamer als
Placebo (Kane et al. 1982) und weist vermutlich eine stärkere oder zumindest gleich
starke Wirksamkeit wie Imipramin auf (Prien et al. 1973b; Kane et al. 1982). Wenn
dagegen eine sehr schwere Indexepisode vorausgegangen war, zeigte Lithium nach
Befunden von Prien et al. (1984) keine bessere phasenprophylaktische Wirksamkeit
als Placebo und war Imipramin deutlich unterlegen.
Im Vergleich mit dem trizyklischen Antidepressivum Amitriptylin erwies sich Lithium
bei unipolaren Depressionen gleich wirksam, beide Medikamente verhinderten
signifikant besser depressive Rezidive als das Placebopräparat (Glen et al. 1984).
Die Ergebnisse der M.A.P.-Studie (Greil et al. 1996a), in der sich eine Überlegenheit
von Lithium über Amitriptylin ergab, sind in Kap. 6.3 dargestellt. Maprotilin und
Mianserin waren in je einer Studie ohne Placebovergleichsgruppe bei der Prophylaxe
unipolarer Depressionen weniger wirksam als Lithium (Coppen et al. 1976, 1978b).
Zu den neueren Antidepressiva, wie den selektiven Serotonin-Reuptake-Inhibitoren
(SSRI) liegen keine Studien zum Vergleich mit der Lithiumprophylaxe vor.
Eine Kombination von Lithium und Imipramin wurde in drei Doppelblindstudien mit
den Einzelsubstanzen verglichen (Quitkin et al. 1981; Kane et al. 1982; Prien et al.
1984). Diesen Untersuchungen liegt die Überlegung zugrunde, dass Lithium
manische Rezidive verhindern und Imipramin die Wirksamkeit von Lithium bei der
Verhütung depressiver Rezidive verstärken könne. Die Kombinationsbehandlung
erbrachte aber -- sowohl für unipolare wie auch für bipolare Psychosen -- in keiner
der drei Untersuchungen signifikant bessere Ergebnisse als die Einzelsubstanzen. Lithium und Antidepressiva: Beurteilung der Studien
Zusammenfassend zeigen die kontrollierten Studien, dass die rezidivprophylaktische
Wirksamkeit von Lithium bei bipolaren affektiven Psychosen gegenüber manischen
Rezidiven als nachgewiesen gelten kann und gegenüber depressiven Rezidiven sehr
gut belegt ist (Davis 1976). Trotz einiger widersprüchlicher Ergebnisse ist auch die
Effektivität von Lithium bei der Prophylaxe unipolarer Depressionen ausreichend
Im Vergleich zu einer antidepressiven Dauerbehandlung wurde bei bipolaren
Störungen eine eindeutige Überlegenheit einer Lithiumprophylaxe festgestellt. Bei
unipolaren Depressionen liegen zur rezidivprophylaktischen Wirksamkeit von Lithium
im Vergleich zu tri- und tetrazyklischen Antidepressiva widersprüchliche Befunde vor:
In den meisten Studien wird stärkere oder zumindest gleiche, in einer Studie
geringere Wirksamkeit von Lithium beschrieben.
Neuere Metaanalysen der kontrollierten Studien kommen ebenfalls zu dem Schluss,
dass Lithium bei unipolaren Depressionen rezidivprophylaktisch wirksam, d.h. einer
Placebogabe überlegen ist und eine den Antidepressiva vergleichbare Effektivität
aufweist (Souza u. Goodwin 1991; Dang 1995). Höhere Lithium-Serum-
Spiegelspiegel (0,7 mmol/l und höher) und vor allem höhere Dosierungen der
trizyklischen Antidepressiva (über 125 mg/Tag) gehen mit einer besseren
Wirksamkeit einher (Dang 1995; siehe auch Gelenberg et al. 1989; Kasper und
Bei der Bewertung der teilweise widersprüchlichen Studienergebnisse müssen die
vielfältigen methodischen Probleme von Langzeitstudien zur Rezidivprophylaxe
berücksichtigt werden. Die Ergebnisse werden von der Patientenauswahl, den
Rezidivkriterien und von der Dauer der Beobachtungsperioden beeinflusst (zur
Bedeutung des Rekrutierungsprozesses siehe Greil et al. 1993 und Kap. 6.3).
Außerdem können beim Umsetzen von Medikamenten depressive oder manische
Zustände provoziert werden, welche die Ergebnisse zugunsten der Gruppe mit
unveränderter Medikation verzerren. Lithium im Vergleich zu Antikonvulsiva und Neuroleptika
Als Alternative zu Lithium insbesondere für bipolare Störungen wurden
Antikonvulsiva (insbesondere Carbamazepin und Valproat) in einer Reihe
kontrollierter Studien intensiv untersucht (siehe Kap. 6.2). Wie auch eine
Metaanalyse ergab (Dardennes et al. 1995), ist es noch nicht ausreichend geklärt,
ob diese Substanzen eine dem Lithium vergleichbare rezidivprophylaktische
Wirksamkeit aufweisen (siehe auch Solomon et al. 1995). In der M.A.P-Studie (siehe
Kap. 6.3) war die Wirksamkeit von Carbamazepin bei bipolaren Störungen während
eines Beobachtungszeitraumes von 2½ Jahren geringer als die von Lithium (Greil et
Zum Vergleich von Lithium mit Neuroleptika bei bipolaren Psychosen liegt bislang
nur eine kontrollierte Studie vor. Ahlfors et al. (1981) konnten weder für Lithium noch
für Flupentixol (als Depotpräparat) eine Wirksamkeit nachweisen, was die Autoren
auf die Selektion prognostisch besonders ungünstiger Fälle zurückführten. In einer,
in dieser Arbeit ebenfalls dargestellten, offenen Untersuchung (ohne Kontrollgruppe)
mit 93 bipolaren Patienten, bewirkte Flupentixol eine Abnahme der manischen
Morbidität und eine Zunahme depressiver Verstimmungen. Flupentixol könnte somit
bestenfalls für Patienten, die vorwiegend an manischen Phasen erkranken, eine
Alternative zu Lithium darstellen. Das atypische Neuroleptikum Clozapin dagegen
weist möglicherweise deutliche stimmungsstabilisierende Wirkung auf, wie sich aus
einer offenen Studie ergibt (Zarate et al. 1995; siehe auch APA 1994). Katamnestische und naturalistische Untersuchungen
In einer großen Zahl von Studien wurden die Krankheitsverläufe intraindividuell vor
und unter einer Lithiumprophylaxe verglichen („Spiegelmethode”). Diese
Untersuchungen geben Aufschluss über die Wirkungen langjähriger Lithiumtherapie
in breiter klinischer Anwendung und zeigen, dass in der Wirksamkeit einer
Lithiumprophylaxe ausgeprägte Unterschiede zwischen verschiedenen Patienten
bestehen. Im folgenden werden frühere, z.T. „klassische” Studien ausführlich
dargestellt, da in ihnen bereits die wichtigsten Erkenntnisse zum Krankheitsverlauf
während einer Lithiumprophylaxe beschrieben worden sind.
Baastrup und Schou (1967) veröffentlichten die erste große Untersuchung, in der im
intraindividuellen Vergleich die Wirksamkeit von Lithium ermittelt wurde. Bei 88
Patienten, die ein bis fünf Jahre mit Lithium behandelt wurden, kam es zu einem
statistisch hochsignifikanten Abfall der durchschnittlichen Phasenfrequenz von 1,55
auf 0,20 Phasen pro Jahr. Dies bedeutet, dass die Patienten während der
Kontrollperiode vor Lithium durchschnittlich alle acht Monate, während der
Lithiumperiode dagegen durchschnittlich nur alle 60 Monate ein Rezidiv erlitten.
In einigen Fällen wurde die prophylaktische Wirksamkeit von Lithium erst innerhalb
einer ein- bis zweijährigen Therapie erzielt (zur Wirklatenz von Lithium siehe auch
Müller-Oerlinghausen et al. 1994). Weiterhin berichteten viele Patienten im ersten
Jahr der Lithiumbehandlung -- meist zum Zeitpunkt erwarteter Krankheitsphasen --
noch über Prodromalsymptome der Erkrankung, z.B. über innere Unruhe oder
gedrückte Stimmungslage, ohne dass es dann zum Ausbruch der Krankheitsphase
Die Studie wurde aus methodischen Gründen (nicht-blinde Untersuchung, keine
Kontrollgruppe) kritisiert (Blackwell u. Shepherd 1968; Editorial 1969). Dennoch
belegen die Ergebnisse der Untersuchung eindeutig einen günstigen Einfluss von
Lithium auf den Krankheitsverlauf affektiver Psychosen, wobei der
Behandlungserfolg bei manisch-depressiven Psychosen und bei rezidivierenden
unipolaren Depressionen gleich stark ausgeprägt war. Bei den schizoaffektiven
Psychosen war der therapeutische Effekt deutlich geringer (siehe auch Befunde der
M.A.P.-Studie, Kap. 6.3; Greil et al. 1997a).
Angst et al. (1970) verglichen ebenfalls die Krankheitsverläufe während einer
Lithiumtherapie und während einer gleich langen Kontrollperiode vor Einsetzen der
Behandlung. Die Studie wurde in drei Kliniken in der Schweiz, in der Tschechischen
Republik und in Dänemark an insgesamt 244 Patienten durchgeführt. Die
durchschnittliche Dauer der Kontroll- und Behandlungsperiode betrug jeweils ca. 1,
1½ und 4 Jahre. Bei Patienten mit manisch-depressiven Psychosen (n = 114), mit
rezidivierenden unipolaren Depressionen (n = 58) und mit schizoaffektiven
Psychosen (n= 72) verringerte sich unter Lithium die Anzahl der Krankheitsphasen
und die der stationären Aufnahmen (um 63%, 73%, 39% bzw. um 64%, 71%, 31%),
während sich die Zyklen, d.h. die Abstände zwischen den Phasen verlängerten (um
61%, 71%, 30%). Eine Verkürzung der Phasendauer konnte nur für Patienten mit
bipolaren affektiven Störungen statistisch nachgewiesen werden.
Felber (1981, 1993) berichtete über die Behandlungsergebnisse bei 623 Patienten,
die in der ehemaligen DDR zwischen sechs Monaten und acht Jahren (Mittelwert: 23
Monate) mit Lithium behandelt wurden. Die besondere Bedeutung dieser Studie liegt
darin, dass praktisch alle Patienten eingeschlossen worden sind, die in der DDR
zwischen 1968 und 1973 Lithium zur Rezidivprophylaxe affektiver und
schizoaffektiver Psychosen erhielten.
Tabelle 5 zeigt die wichtigsten Ergebnisse, die bei den Patienten mit bipolaren (n =
345) bzw. unipolar-manischen (n = 29), mit unipolar-depressiven (n = 209) und mit
schizoaffektiven (n = 40) Psychosen gewonnen wurden.
Während der Lithiumbehandlungsperioden ging die Gesamtzahl der
Krankheitsphasen im Vergleich zu den jeweils gleich langen Kontrollperioden (vor
Lithium) um 84% zurück. Als Phasen wurden manische oder depressive Zustände
bezeichnet, die meist zur stationären Aufnahme oder zumindest zur
Arbeitsunfähigkeit führten. Dagegen zeigte sich in dieser Studie ein leichter
(statistisch nicht signifikanter) Anstieg der Häufigkeit von subklinischen Phasen in
der Therapie- im Vergleich zur Kontrollperiode. Das bedeutet, dass bei einzelnen
Patienten, bei denen unter einer Lithiumtherapie das Auftreten von
Krankheitsphasen nicht vollständig verhindert werden konnte, zumindest eine
Abschwächung der Symptomatik auf hypomanische bzw. subdepressive
Zustandsbilder erreicht werden konnte. Die mittlere Episodendauer, d.h. die Dauer
der Krankheitsphasen bzw. der subklinischen Phasen, verringerte sich unter Lithium
um 50%, die Dauer der stationären Behandlungen um 63%. Die durchschnittliche
Dauer der Arbeitsunfähigkeit während ambulanter Behandlungen wurde unter
Lithium um 50% vermindert. Der Einfluss von Lithium auf die untersuchten
Parameter war bei Patienten mit uni- und bipolaren Störungen gleich günstig, bei
Patienten mit schizoaffektiven Psychosen dagegen weniger stark ausgeprägt.
In der Studie, in der neben medizinischen auch soziale und ökonomische Parameter
erfasst wurden, konnte Felber zeigen, dass einer Lithiumprophylaxe große sozial-
rehabilitative Bedeutung zukommt (z.B. für Ausbildung, Beruf, Familie). Die Kosten,
die sich aus einer rezidivierenden Erkrankung ergeben (Kosten für Medikamente,
ambulante und stationäre Behandlungen, für Arbeitsunfähigkeit und Invalidität;
Verlust an produziertem Nationaleinkommen), wurden nach seinen Berechnungen
durch Lithium im Vergleich zur Kontrollperiode um 60% gesenkt (Felber 1993; Felber
Aus den Angaben von Felber (1981, 1993) lässt sich ableiten, in welchem
Prozentsatz der Patienten ein Therapieerfolg erzielt wurde (Tabelle 6). 57% der
Patienten waren während der Lithiumbehandlung rezidivfrei, d.h. es traten weder
Krankheitsphasen noch subklinische Phasen auf. Bei 15% der Patienten, bei denen
in der Kontrollperiode voll ausgeprägte Krankheitsphasen bestanden, wurden
subklinische Phasen beobachtet. Hieraus ergibt sich ein deutlicher
Behandlungserfolg bei 72% der Fälle.
Ähnliche Ergebnisse über die Effektivität von Lithium berichteten Koukopoulos und
Reginaldi (1980). Es wurden retrospektiv die Krankheitsverläufe von 301 Patienten
mit affektiven Psychosen untersucht, die mindestens ein Jahr mit Lithium zur
Rezidivprophylaxe behandelt worden waren.
46% der Patienten sprachen innerhalb eines Jahres auf Lithium an, d.h. nach
diesem Zeitraum traten keine Rezidive mehr auf (guter Therapieerfolg). Bei 33%
wurden auch nach Ablauf eines Jahres noch Rezidive beobachtet, die einzelnen
Phasen waren aber in ihrer Intensität abgeschwächt und/oder verkürzt (partieller
Behandlungserfolg). 21% erlitten unter Lithium weiter Rezidive mit gleichem
Schweregrad wie vor Beginn der Lithiumbehandlung. Dies wurde als ungenügendes
Therapieansprechen („poor response”) gewertet. Ungenügender Behandlungserfolg
zeigte sich bei Patienten mit unipolaren Depressionen in 2%, bei Patienten mit
Eine Auswertung der Krankenunterlagen der Lithiumambulanz der Psychiatrischen
Klinik der Universität München erbrachte bei 102 Patienten (26 mit unipolaren, 48 mit
bipolaren und 28 mit schizoaffektiven Psychosen) einen Behandlungserfolg in 76%
der Fälle. (Ein Teil der Auswertung ist in Haag et al. 1984 dargestellt.) Die Patienten
waren mindestens seit einem Jahr mit Lithium behandelt, im Mittel seit 5½ Jahren.
Die Krankheitsverläufe vor Lithium (seit Erstmanifestation der Erkrankung) und unter
Lithium wurden verglichen. Bei 24% der Patienten konnte ein sehr gutes
Therapieansprechen festgestellt werden: Es waren keine stationären Behandlungen
unter Lithium erforderlich, und in den letzten 12 Monaten vor dem
Untersuchungszeitpunkt wurden zusätzlich zu Lithium keine Antidepressiva oder
Neuroleptika gegeben. Bei 52% lag ein partieller Behandlungserfolg vor: Im letzten
Jahr vor Untersuchung mussten Zusatzmedikamente verordnet werden. Stationäre
Behandlungen waren in dieser Gruppe ebenfalls nicht mehr notwendig (bei 40 der 53
Patienten) bzw. die Häufigkeit stationärer Aufnahmen pro Jahr konnte unter Lithium
deutlich vermindert werden (im Mittel um mehr als 90%). Mangelnder Therapieerfolg
zeigte sich bei Patienten mit bipolaren und schizoaffektiven Psychosen häufiger als
bei solchen mit unipolaren Depressionen (39%, 32% bzw. 3%).
Sarantidis u. Waters (1981) und Smigan (1985) fanden einen therapeutischen Erfolg
einer Lithiumprophylaxe bei 80% bzw. 64% ihrer Patienten.
Die katamnestischen Untersuchungen (siehe Tab. 6) zeigen, dass ein
Behandlungserfolg bei einer Lithiumprophylaxe bei ca. 65--80% der Patienten
beobachtet wird. Die mittleren Lithiumserumspiegel liegen bei diesen neueren
Studien niedriger als bei den früher durchgeführten, kontrollierten Untersuchungen
(vgl. Tabelle 3 und 4). Die Ergebnisse werden auch durch die Untersuchung von
Müller-Oerlinghausen (1977) bestätigt, der in 70% von n = 79 Fällen einen deutlichen
Prophylaxeerfolg verzeichnen konnte. Bei genauerer Analyse der Phasenstruktur
zeigte sich insbesondere eine Abnahme der Schwere manischer Phasen und eine
deutliche Verkürzung depressiver Phasen (Berghöfer et al. 1996). Eine neuere,
naturalistische Katamnese-Studie berichtete für 248 bipolare Patienten von gutem
Erfolg bei 40% und partiellem Erfolg bei 41% der Fälle (O’Connell et al. 1991).
Die rezidivverhütende Wirksamkeit von Lithium scheint mit der Dauer der
Behandlung zuzunehmen. Baastrup und Schou (1967) stellten in ihrer Untersuchung
fest, dass sich der volle prophylaktische Effekt von Lithium in der Regel erst nach
einigen Monaten bis zu einem Jahr einstellt. In anderen Studien wurde auch nach
mehr als zweijähriger Behandlung noch eine weitere Steigerung des
Behandlungserfolges beobachtet (Felber 1993). Andererseits wird auch vom
Nachlassen der Wirkung von Lithium nach mehrjähriger Therapie berichtet („späte
Neuere naturalistische Studien (Dickson u. Kendell 1986; Markar u. Mander 1989;
Aagaard u. Vestergaard 1990; Harrow et al. 1990; Bouman et al. 1992; Peselow et
al. 1994; Coryell et al. 1995) zeigten unter den üblichen Praxisbedingungen
wesentlich niedrigere Erfolgsraten als die bisherigen kontrollierten und
katamnestischen Untersuchungen und ließen Zweifel an der Wirksamkeit einer
Lithiumprophylaxe aufkommen (Moncrieff 1995). Die geringe Effizienz von Lithium
unter Routinebedingungen dürfte verschiedene Ursachen haben (Schou 1993b;
Guscott u. Taylor 1994; Gershon u. Soares 1997). Besonders wichtig erscheint, dass
in der Praxis die Indikation auch auf weniger erfolgversprechende Fälle ausgeweitet
wird (z.B. chronische Zustände, „rapid cycler”, Zusatzerkrankungen wie Alkoholismus
und Persönlichkeitsstörungen, zyklothyme Störungen). Dies ist auch Folge der
Veränderung in der Diagnostik, wonach die engen klassischen Indikationsgebiete für
Lithium „endogene Depression” und „manisch-depressive Psychose” durch die
umfassenderen Begriffe „depressive Episode” bzw. „major depression” und „bipolare
affektive Störung” abgelöst wurden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass außerhalb
der Spezialeinrichtungen die intensive Aufklärung und kontinuierliche
Therapieüberwachung weniger gesichert ist, was zu mangelnder Compliance führt.
Dosisänderungen und Unterbrechungen der Lithiumbehandlung können aber
möglicherweise bei bestimmten Verlaufsformen die stabilisierende Wirkung von
Lithium gefährden, ja sogar Absetzmanien auslösen (vgl. Kap. 3.7). Von einigen
Autoren wurde über die Entwicklung von Therapieresistenz auf Lithium nach einer
Unterbrechung berichtet (Post et al. 1992; Maj et al. 1995). Von anderen Autoren
konnte an einer Gruppe von 24 Patienten mittels einer fallbezogenen Analyse von
Dokumentationen des gesamten Krankheitsverlaufs ein solcher Wirksamkeitsverlust
nach Absetzen und Wiederansetzen einer Lithiumprophylaxe nicht bestätigt werden
(Berghöfer u. Müller-Oerlinghausen 1996).
Als weiterer ungünstiger Einflussfaktor auf die Krankheitsverläufe muss der heute
weitverbreitete Gebrauch psychotroper Substanzen, z.B. von Benzodiazepinen, wie
auch die zusätzliche Gabe von Neuroleptika oder Antidepressiva bereits bei geringen
Stimmungsschwankungen diskutiert werden. Klinische Schlussfolgerung
Bei der Behandlung affektiver Störungen sollte nach Abklingen der akuten
Symptomatik die antidepressive oder antimanische Medikation noch für einige
Monate fortgesetzt werden, um das Wiederauftreten der Symptomatik (einen
Rückfall) zu verhindern (Erhaltungstherapie). Außerdem muss entschieden werden,
ob eine medikamentöse Langzeitbehandlung zur Verhütung von zukünftigen
Krankheitsphasen (von Rezidiven) indiziert ist (Rezidivprophylaxe).
Bei der Indikationsstellung zur Rezidivprophylaxe muss das individuelle Rezidivrisiko
abgeschätzt werden. Dieses ist bei bipolaren affektiven Störungen deutlich höher als
bei unipolaren Depressionen. In der Regel ist bei den bipolaren nach zwei und bei
den unipolaren Störungen nach drei Phasen der Beginn einer medikamentösen
Rezidivverhütung gerechtfertigt. Dabei sollte der Abstand zwischen den beiden
letzten Phasen höchstens vier Jahre (bei bipolaren) und höchstens fünf Jahre (bei
unipolaren Störungen) betragen. Vor allem aber sind bei der Entscheidung zu einer
Rezidivprophylaxe Schweregrad und Dauer der Krankheitsphasen, deren soziale
Auswirkungen und die Bereitschaft der Patienten zu einer medikamentösen
Für die Rezidivprophylaxe bipolarer affektiver Psychosen gilt weiterhin Lithium als
Mittel der ersten Wahl. Alternativ -- wenn eine Lithium-Prophylaxe nicht ausreichend
wirksam ist oder nicht tolerable Nebenwirkungen auftreten -- kommen
Antikonvulsiva, insbesondere Carbamazepin oder Valproat -- allein oder in
Kombination mit Lithium (vgl. Kap. 6.4) -- in Frage. Bei bestimmten Untergruppen
scheinen Antikonvulsiva wirksamer zu sein als Lithium (z.B. „rapid cycler”, Patienten
mit hirnorganischen Veränderungen, vgl. Kap. 6.2).
Bei den unipolaren Depressionen können zur Rezidivverhütung Lithium oder
Antidepressiva verwendet werden (vgl. Kap. 6.1). Lithium kommt vor allem für
Patienten in Frage, bei denen Prädiktoren für ein gutes Ansprechen einer
Lithiumprophylaxe vorliegen: eindeutige Diagnose einer rezidivierenden unipolaren
Depression, vollständiger Remission mit Symptomfreiheit im krankheitsfreien
Intervall, nicht zu häufige Krankheitsphasen (nicht mehr als zwei bis drei im Jahr)
und genetische Belastung mit affektiven Störungen (Carroll 1979; Pétursson 1979;
Grof et al. 1983) sowie bei Patienten, bei denen der Verdacht besteht, es könnte
sich um eine noch nicht erkannte bipolare Verlaufsform handeln (hypomane
Nachschwankungen, familiäre Belastung mit bipolarer Störung).
Patienten mit depressiven Restsymptomen im Intervall benötigen ständig eine
symptomsuppressive Therapie und sprechen vielleicht besser auf eine
Dauerbehandlung mit Antidepressiva an. Der Vorteil einer
Antidepressivadauerbehandlung liegt darin, dass dasjenige Medikament
weitergegeben werden kann, welches sich in der Akutbehandlung als wirksam und
gut verträglich erwiesen hat, und dass ein Umsetzen auf Lithium entfällt.
In den kontrollierten Studien zur Effektivität einer Lithiumprophylaxe liegen die
Lithiumserumspiegel meist über 0,8 mmol/l (vgl. Tabelle 3 und 4). Gegenwärtig
werden die Patienten aber im allgemeinen auf niedrigere Spiegel, zwischen 0,5 und
0,8 mmol/l, eingestellt. Für jeden Patienten individuell den niedrigsten wirksamen
Lithiumserumspiegel herauszufinden, bringt den Vorteil mit sich, dass die
unerwünschten Wirkungen von Lithium und das Risiko einer Lithiumintoxikation auf
ein Minimum reduziert werden. Andererseits ist die stimmungsstabilisierende
Wirkung von Lithium bei höherer Dosierung ausgeprägter (Gelenberg et al. 1989;
Solomon et al. 1996). Eine Dosisreduktion während einer Lithiumlangzeitbehandlung
sollte jedoch in möglichst kleinen Schritten erfolgen, da bereits bei Verminderungen
des Lithiumserumspiegels um mehr als 0,2 mmol/l Rückfälle beobachtet wurden
(Waters et al. 1982; Tyrer et al. 1983).
Bei mangelhaftem oder fehlendem Therapieerfolg sollte zunächst eine regelmäßige
Tabletteneinnahme gesichert werden. Durch Dosiserhöhung und Einstellen auf einen
höheren Lithiumserumspiegel kann versucht werden, die Wirksamkeit einer
Lithiumprophylaxe zu verbessern (zu Fragen der Optimierung der Behandlung siehe
Kap. 7.1). Weiterhin können Zusatz- oder Alternativbehandlungen erprobt werden
(siehe Kap. 6.4, 6.5, 6.6). Bei Umsetzen auf eine Alternativtherapie mit
Antidepressiva oder Antikonvulsiva sollte ein abruptes Absetzen von Lithium
Eine Rezidivprophylaxe mit Lithium stellt keinen therapeutischen „Mythos” dar, wie
bereits 1968 und auch jüngst diskutiert wurde (Blackwell u. Shepherd 1968;
Moncrieff 1995). Lithium ist aber auch kein „Wundermittel”. Durch eine
Lithiumprophylaxe können manische und depressive Phasen affektiver Störungen
verhütet werden, abgeschwächte Phasen können aber trotz wirksamer
Lithiumbehandlung weiter auftreten, ebenso können interepisodische Störungen
(Restsympome, psychosoziale Beeinträchtigungen) bestehen bleiben.
Eine erfolgreiche Lithiumprophylaxe setzt ein gutes psychiatrisches Management
voraus, wie es auch in den Richtlinien der American Psychiatric Association
dargestellt ist (APA 1994). Insbesondere bedeutet dies:
Eine therapeutische Allianz mit dem Patienten aufbauen,
den psychischen Status des Patienten regelmäßig überprüfen,
Aufklärung als fortlaufende Aufgabe betrachten,
auch schriftliche Informationen zur Krankheit und zur Therapie geben (z.B.
Schou 1993a, 1997; Greil et al. 1996b, c) und gemeinsam durchsprechen,
dadurch den Patienten als eigenverantwortlichen Partner gewinnen, der zum
Experten seiner Krankheit wird und schließlich
die Angehörige in Aufklärung und Therapie mit einbeziehen.
Für nähere Ausführungen zur Therapiedurchführung sei auf die Kap. 7.1 und 7.2
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Abbildung 1: Akuttherapie, Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe bei affektiven
Störungen (modifiziert nach Greil u. Schmidt 1985)
Tabelle 1: Studien zur Erhaltungstherapie: Antidepressiva versus Placebo (Fisher-Test)
Tabelle 2: Statistische Analyse zur Wertigkeit verschiedener Indikationskriterien für
eine Rezidivprophylaxe (nach Angst 1981b), modifiziert)Katamnesekriterium: 2 Phasen/ 5 Jahren, unterstrichen: Ergebnisse derempfohlenen Selektionskriterien
a = (Patienten, die sowohl Selektions- wie auch Katamnesekriterium erfüllen, x 100) :(alle Patienten, die Katamnesekriterium erfüllen)
b = (Patienten, die Selektions-, aber nicht Katamnesekriterium erfüllen, x 100) : (allePatienten, die Katamnesekriterium nicht erfüllen)
3 Jahren 4 Jahren 5 Jahren 3 Jahren 4 Jahren 5 Jahren
Tabelle 5: Klinische und soziale Parameter bei 623 Patienten vor und während einer
Lithiumbehandlung (nach Felber 1981, a = die Behandlungsindikationergab sich bei diesen Patienten aus dem der Kontrollperiodevorangegangenen Krankheitsverlauf; b = Arbeitsunfähigkeit beiambulanter Behandlung)
Stationäre Behandlung (Wochen/Patient/Jahr)
Arbeitsunfähigkeit bei ambulanter Behandlung
Tabelle 6: Effektivität einer Lithiumprophylaxe: Katamnestische Untersuchungen (uni
= unipolare Depression, bip = bipolare Psychose, sa = schizoaffektivePsychose; a = bei „poor response“ > 0,80 mmol/l, sonst beliebig; b =Mittelwert für Patienten mit sehr gutem Behandlungserfolg)
Lithiumprophylaxe bei affektiven Psychosen: Lithium versus Placebo (Signifikanzwerte (einseitige p-Werte) nach Fisher-Test bzw. Chi-Quadrat-Test; k.A.=keine Angabe)
eingestellt (Dauer k.A.)RK: Zusatzmed. oderstat. Aufnahme
Lithiumprophylaxe bei affektiven Psychosen: Lithium versus Antidepressiva (k.A.=keine Angabe)
(Dauer k.A.)RK: Erhöhung des„affective morbidityindex“
> 1 Woche, „minordepressive disorder“> 4 Wochen,„mania“, „hypomania“> 1 Woche
> 1 Woche, „minordepressive disorder“>
a Die statistischen Signifikanzen (zweiseitige p-Werte) beziehen sich, wenn nicht anders angegeben, auf den Fisher-Test bzw. Chi-Quadrat-Test
b Wirksamkeit: bipolar: Rückfälle gesamt: Lithium vs Imipramin: n.s.; Lithium vs Placebo: p=0,02; Imipramin vs Placebo: n.s.; Rückfälle depressiv: n.s.; Rückfällemanisch: Lithium vs Imipramin: p=0,02; Lithium vs Placebo: n.s.; Imipramin vs Placebo: n.s.; unipolar: Lithium vs Placebo: p< 0,02; Lithium vs Imipramin: n.s.;Imipramin vs Placebo: p<0,004
c Nach DSM III, Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen
e Wirksamkeit: Lithium>Placebo; Lithium>Imipramin; Lithium=Lithium+Imipramin; Imipramin=Placebo; Effekt von Lithium, Varianzanalyse: bipolar II: Rückfällegesamt: <0,05, Rückfälle depressiv: n.s.; unipolar: Rückfälle gesamt: < 0,001; Rückfälle depressiv: <0,001
f Wirksamkeit: Lithium=Amitriptylin; Lithium, Amitriptylin vs Placebo: p=0,025 (logarythmic rank test)
g Wirksamkeit: bipolar: Rückfälle depressiv: Lithium=Imipramin; Rückfälle manisch: Lithium>Imipramin: p<0,05; insgesamt Lithium=Lithium+Imipramin; unipolar:Imipramin>Lithium: p<0,05; Imipramin=Imipramin+Lithium
For Immediate Release FREE PHARMACEUTICAL DROP-OFF AT SHOREWAY All Over-the-Counter Medications and Some Prescriptions Accepted SAN CARLOS, CA – October 18, 2013 – RethinkWaste service area residents can now conveniently dispose of their expired or unwanted medications for free in a secured pharmaceutical drop-off box located at the Shoreway Environmental Center’
Paroxetine was effective for reducing symptoms in social phobia Baldwin D, Bobes J, Stein DJ, et al, on behalf of the Paroxetine Study Group. Paroxetine in social phobia/social anxiety disorder. Randomised, double-blind, placebo-controlled study . Br J Psychiatry 1999 Aug; 175 :120–6. QUESTION: In patients with social phobia, is paroxetine effective for reducing symptoms? Main outcome