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I N F E K T I O N E N
Herpes labialisvon Werner Kempf und Stephan Lautenschlager Infektionen mit humanen Herpesviren
weise als Gingivostomatitis aphthosa, welche bedingtdurch die ausgedehnten, stark schmerzhaften Läsionen im gehören zu den weltweit häufigsten viralbe-
Bereich der Mundschleimhaut die Flüssigkeits- und Nah-rungsaufnahme stark einschränkt. Im Erwachsenenalter dingten Dermatosen. In der Schweiz sind
wird häufiger eine ulzerative Pharyngitis beobachtet. ImRahmen eines Erstkontaktes wandern die Herpesviren ent- über 70 Prozent der Erwachsenen mit dem
lang den sensorischen Hautnerven in Richtung Hinterwur-zelganglien und etablieren dort eine latente Infektion, die Herpes-simplex-Virus Typ 1 infiziert. Dieser ist
«lebenslänglich» bestehen bleibt und zu Rezidiven führenkann. Verschiedene Auslösefaktoren führen zur Reaktivie- in über 90 Prozent der Fälle für den
rung und zum Auswandern der Viren. Rezidive entstehenbei UV-Licht-Exposition, physischen und psychischen Belas- Herpeslabialis beziehungsweise für orofazia-
tungssituationen, fieberhaften Erkrankungen, Menstrua-tion, Immunsuppression und operativen oder zahnärztli- le Herpes-simplex-Virus-Infektionen verant-
chen Eingriffe (Tabelle 2). Oftmals beginnt die Erkrankungmit Spannen, Brennen oder Jucken der Haut, bevor sich wortlich. Obwohl diese Erkrankungen weit
auf Mundschleimhaut und Lippen charakteristischerweisemehr oder weniger gruppierte, schmerzhafte Bläschen verbreitet sind, besteht für Behandelnde und
oder Erosionen auf gerötetem Grund bilden.
Patienten noch grosser Informationsbedarf.
Komplikationen
Auf einer ekzematös vorgeschädigten Haut eines Neuro-
dermitikers kann sich eine Herpesläsion rasch zu einem
erpes-labialis-Infektionen werden fast ausschliess- Ekzema herpeticatum ausbreiten. Nicht selten ist eine not- lich durch Kontakt mit Herpes-simplex-Viren vom fallmässige virostatische Behandlung mit intravenös verab- HTyp I verursacht (Tabelle 1). Die Übertragung der reichtem Aciclovir erforderlich. Des Weiteren kann ein
Herpes-simplex-Viren erfolgt durch Tröpfchen- oder HSV-Infekt Ursache für ein Erythema exsudativum sein.
Schmierinfektion, das heisst durch direkten Kontakt oder Dabei handelt es sich um eine infektallergische Reaktion, über Speichel an den oralen Schleimhäuten oder dem die sich als schiessscheibenartig konfigurierte Hautverän- Übergangsepithel der Lippen. Die Primärinfektion tritt derung manifestiert. Eine weitere gefürchtete Komplikation zumeist im Kindesalter oder in der Adoleszenz auf und ist die Keratokonjunktivitis herpetica. Diese von einem oro- medicos 5/2003
weist oft einen asymptomatischen Verlauf auf. Eine mani- fazialen HSV-Infekt ausgehende Schmierinfektion kann zu feste Primärinfektion zeigt sich im Kindesalter typischer- Diagnose
In den meisten Fällen kann die Diagnose des Herpes labialis aufgrund des charakteristischen klinischen Erschei- nungsbildes gestellt werden. Im Zweifelsfall kann der Nachweis von Herpesviren mittels Zellkultur erfolgen.
● Herpes-simplex-Virus Typ 2 (HSV-2)● Weiter zu erwähnen ist der Antigen-Nachweis mittels Immunfluoreszenz oder der aufwändige und teure mole- Beta-Herpesviren● Zytomegalievirus (CMV) kularbiologische Nachweis Virustyp-spezifischer DNA- Sequenzen mittels Polymerase-Kettenreaktion. Serologi- sche Testmethoden spielen nur eine untergeordnete Rolle.
Differenzialdiagnostisch sollen ein akutes Kontaktekzem, Varizellen, Erysipel, Pyodermien (Impetigo contagiosa), ● Humanes Herpesvirus 8 (HHV-8)/Kaposi-Sarkom- luetischer Primäraffekt und Insektenstichreaktion mitberück- Tabelle 2:Therapie des orofazialen Herpes simplex Episodische Rezidivbehandlung1. Virostatika 5 x 400 mg pro Tag p.o. während 7–10 Tagen, evtl.
3 x 10 mg/kg KG i.v. pro Tag während 7–10 Tagen 2 x 500 mg pro Tag p.o. während 5–10 Tagen Acetylsalicylsäure, nichtsteroidale Antirheumatika (z.B. Diclofenac [Voltaren ], Indomethacin [Indocidol ]) 3. Antiseptisch und adstringierend wirkende Externaa) Akutphase Aufweichende Externa (Bepanthen Salbe, Betadine Salbe) 4. Arbeitskarenz Bei sozialer Stigmatisierung durch einen ausgeprägten Herpes labialis oder systemischen Beschwerden Virostatische Supressionstherapie bei häufigen Rezidiven 1 x 500 mg pro Tag p.o., evtl. 2 x 250 mg pro Tag p.o.* *Die Therapie sollte über mindestens 6–12 Monate durch geführt werden.
Therapie des chronisch-ulzerierenden orofazialen Herpes simplex beim immunsupprimierten PatientenLeichtere Formen (CD4-Zahl in der Regel >100/␮l) *Die Therapie sollte über mindestens 6–12 Monate durchgeführt werden.
Schwerere Formen (CD4-Zahl in der Regel <100/␮l Foscarnet (Foscavir ) 3 x 40 mg/kg KG/Tag (evtl. 2 x 60 mg) i.v. 2 Wochen medicos 5/2003
Tabelle 3:Auslösefaktoren eines orofazialen Herpes simplexrecidivans ● UV-Licht-Exposition (z.B. Sonnenbaden, Solarium, Ski- ● Physische und psychische Belastungssituationen ● Operative und zahnärztliche Eingriffe bzw. kosmeti- ● Fieberhafte Erkrankungen (z.B. grippale Infekte)● Menstruation● Immunsuppression Therapie bei episodischem Verlauf
Im Allgemeinen genügt bei einem problemlosen Verlauf Beratung des Patienten mit Herpes labialis des Herpes labialis eine Lokalbehandlung. Es kommen je nach Stadium antiseptische und adstrigierende Externa, ● Information zur geeigneten Prophylaxe.
wie zum Beispiel Zinksulfat, und symptomlindernde oder anästhesierende Substanzen wie Lidocain- oder Melissen- ● Rezidiv nach asymptomatischer Primärinfektion extrakt-haltige Externa zum Einsatz (Tabelle 3). Im Krusten- (allenfalls Jahre zuvor akquiriert).
stadium bringen blande, fettende Externa und bei Schleim- ● Ansteckung durch direkte Übertragung im Erwach- senenalter selten (z.B. durch Küssen oder orogenitale hautbefall Mundspülungen mit Kamillenextrakt Linderung.
Bei UV-Licht-induzierten orofazialen Herpes-simplex-Läsio-nen ist ein konsequenter Sonnenschutz erforderlich. Ein Teil Verlauf ● Rezidivrisiko nicht vorhersehbar, jedoch bei der Patienten profitiert von einer Therapie mit topischen Schwäche des zellulären Immunsystems zunehmend.
Virostatika beim ersten Auftreten von Prodromi. Eine mög- ● Häufigere Rezidive bei Infektion mit HSV-1 als bei lichst frühzeitige Therapie mit systemischen Virostatika ist nur bei Primärinfektionen, grossem Leidensdruck, kompli- ● Rezidive am häufigsten im ersten Jahr nach Primärin- ziertem Verlauf und bei immunsupprimierten Patienten sinn- voll. Bei zusätzlich schmerzhafter Entzündungskomponen- Orogenitale Sexualpraktiken (Cunnilingus) sindwährend der Schwangerschaft einer seronegativen te kann eine kurzzeitige Kombination eines schwachen Partnerin zu vermeiden, da ein Primärinfekt während Glukokortikoids mit peroral verabreichtem Famciclovir der Schwangerschaft (insbesondere letztes Trimenon) nützlich sein, wobei vor übermässigem und wiederholtem ein hohes Risiko für Herpes neonatorum bedeutet.
Gebrauch topischer Steroide gewarnt werden muss.
Risikoabklärung mittels HSV-Typ-spezifischer Serolo-gie.
Suppressionstherapie bei häufigen Rezidiven
Bei subjektiv stark belastendem und sehr häufigem Auftre-
ten der Rezidive kann eine langzeitige Suppressionsthera-
Therapie
pie mit Aciclovir, Valaciclovir oder Famciclovir mit dem Ziel der Behandlung ist die Hemmung der Virusreplikation, Patienten diskutiert werden. Bei häufigen Episoden kann die Rückbildung der Läsionen und die Abkürzung der die Zahl der Rezidive durch eine perorale virostatische Schmerzdauer sowie die Verhinderung von Komplikatio- Suppressionstherapie reduziert werden (Tabelle 3). Die nen. Neben der virostatischen Therapie sind schmerzlin- Dauertherapie sollte in Anbetracht der spontanen Abnah- dernde und lokal desinfizierende Massnahmen erfor- me der Rezidivhäufigkeit nach sechs bis zwölf Monaten derlich (Tabelle 2). Wichtig ist es, den Patienten zu unterbrochen und wieder evaluiert werden. informieren, dass diese nach heutigen Erkenntnissen dieEtablierung einer latenten Infektion nicht verhindern können.
Therapie beim immunsupprimierten Patienten
Welche Therapie gewählt wird, hängt von der Bei immunsupprimierten Patienten ist eine systemische Häufigkeit und der Schwere der Rezidive und von der Behandlung mit Virostatika erforderlich, wobei wegen des Bereitschaft des Patienten zur Durchführung einer entspre- Rezidivrisikos meist anschliessend eine antivirale Suppres- chenden Therapie ab. Für viele Herpes-labialis-Patienten sionstherapie indiziert ist. Zur topischen Behandlung wer- hat die Selbstmedikation einen hohen Stellenwert. Es muss den antiseptische Externa eingesetzt. Da sich bei einigen medicos 5/2003
aber darauf hingewiesen werden, dass bei einigen Patienten mit HIV-Infektion oder bei Transplantatempfän- «OTC»-Produkten klinische Studien zur Wirksamkeit fehlen.
gern eine Resistenzentwicklung gegenüber Virostatika ent- wickeln kann, muss bei Nichtansprechen einer antiviralen Ein weiterer Aspekt der Beratung ist der Hinweis auf Behandlung eine Resistenzbestimmung durchgeführt wer- mögliche Auslösefaktoren, welche durch genaue Beob- den und gegebenenfalls eine Behandlung mit intravenös achtung zu eruieren sind. Werden bei UV-Licht-induzierten verabreichtem Foscarnet in Erwägung gezogen werden orofazialen Herpes-simplex-Läsionen Sonnenschutzmittel mit UVB- und UVA-Filtern mit einem Schutzfaktor von min-destens 15 zur Prophylaxe eingesetzt, kann die Reaktivie- Beratung zu Ursache, Verlauf und
rungsrate deutlich gesenkt werden. Ebenso ist vor einem Prophylaxe
kosmetischen «Laser-Resurfacing», welches durch Trauma- Eine ausführliche Beratung des Patienten hinsichtlich Über- tisierung der Epidermis zu einem erhöhten Risiko für Reak- tragungswege, Verlauf und Prophylaxemöglichkeiten ist tivierungen von HSV-Infekten führen kann, eine virostati- sehr wichtig aufgrund der nicht zu unterschätzenden psy- sche Therapie einzuleiten (Tabelle 5).
chosozialen Belastungen, welche Herpes-labialis-Rezidivemit sich bringen können. Bei der Frage nach der Ansteckungsquelle muss darauf hingewiesen werden, PD Dr. med. Werner KempfOberarztDermatologische KlinikUniversitätsSpital Zürich Virostatische Prophylaxe vor kosmetischem «Laser-Resurfacing» bei Patienten mit HSV-Infektionen 500 mg 2 x täglich während 10–14Tagen(Beginn zirka 2 Stunden vor der Be- 8004 ZürichTel. 01-298 89 21Fax 01-298 89 89 dass orofaziale HSV-Infekte mehrheitlich symptomatische E-Mail: stephan.lautenschlager@triemli.stzh.ch Rezidive einer möglicherweise Jahre bis Jahrzehnte zuvorerworbenen Infektion sind. Eine Gingivostomatitis ist hoch infektiös und führt in Kindergärten/-krippen zu einerraschen Ausbreitung des Virus. Die Übertragung im Klein-kinderalter erfolgt meist von den Eltern auf ihr Kind, imAdoleszentenalter hingegen beim Küssen. Durch Auto-inokulation kann es zur Übertragung des Virus auf die Fin-ger (z.B. in Form des herpetischen Umlaufes) kommen.
Besondere Risiken bergen orogenitale Sexualpraktiken.
Insbesondere bei HSV-seronegativen Frauen kann einePrimärinfektion während der Schwangerschaft zur gefürch-tetsten Komplikation, nämlich zur Übertragung des Virusauf das ungeborene oder neugeborene Kind (Herpes neo-natorum) führen. medicos 5/2003

Source: http://www.kempf-kettelhack.ch/uploads/media/Herpes_labialis.pdf

Pii: s0167-7799(00)01462-

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