Katrin Auer (Wien) „Political Correctness“ – Ideologischer Code, Feindbild und Stigmawort der Rechten Seit Mitte der 90er Jahre wurden der Begriff „political correctness“ und ein Metadiskurs über„political correctness“ in österreichischen und deutschen Medien- und Politikdiskursen etabliert. Vor allem der Metadiskurs, der sich mit den ideologischen Inhalten und realpolitischen Auswirkun-gen auseinandersetzt, erfüllt in deutschsprachigen Diskursen spezifische Funktionen, von denen inerster Linie Konservative und Rechtsextreme profitieren. Begriff und Metadiskurs werden hier nurdiskursanalytisch und ideologiekritisch untersucht. Während der Begriff „political correctness“ alsideologischer Code und Stigmawort eingesetzt wird, produziert der Metadiskurs ein rechtes bzw. rechtsextremes Feindbild. Unter dem Phänomen „political correctness“ wird generell das Spektrumemanzipatorischer und linker Theorie bzw. Praxis subsumiert und diffamiert. Gleichzeitig modifiziertder Metadiskurs die Bedeutung rechtsextremer und revisionistischer Inhalte, indem diesen unter Be-rufung auf die Meinungsfreiheit als vermeintlich notwendigen Tabubrüchen in öffentlichen DiskursenRaum gegeben werden müsse.
Seit Mitte der 90er Jahre wurde der Wort-
correctness“ und „Gutmensch“ sowie von der
schatz politischer Debatten und ideologischer
ideologischen Ausrichtung und den Methoden
Auseinandersetzungen in Österreich um einen
des Diskurses zu „political correctness“, auf die
prägnanten Begriff erweitert. „Political Correct-
ness“, „Politische Korrektheit“ oder auch die
ProfiteurInnen geschlossen werden kann, geht
Adverbform „politically correct“ bzw. „politisch
diese Untersuchung von der These aus, dass es
korrekt“ sind ebenso wie die Bezeichnung „Gut-
sich hier um die erfolgreiche Umsetzung rechts-
extremer Diskursstrategien (Retorsion von Be-
Um die Funktion der Bezeichnung „political
griffen, „Tabubruch“ etc.) handelt.
correctness“ zu erkennen, ist ideologiekritisch
Neben der bereits existierenden wissenschaft-
und diskursanalytisch nach Inhalten, Methode
lichen Sekundärliteratur zum US-amerika-
und Geschichte des Diskurses zu fragen, der
nischen Diskurs setzt sich das Material für die
zum Thema „political correctness“ geführt wird.
Analyse des Diskurses in der BRD und Öster-
Weiters stellt sich die Frage, wer die wesentli-
reich in erster Linie aus Primärquellen aus dem
Mediendiskurs zusammen. Diese Texte wurden
teurInnen dieses Diskurses sind und welcher
in einem ersten Schritt nach dem Kriterium, ob
ideologischen Richtung sie angehören.
der Begriff „pc“ Verwendung fand, ausgewählt.
Schon bei einer oberflächlichen Betrachtung
In einem zweiten Schritt wurde zwischen Bei-
der Verwendung und inhaltlichen Bedeutung des
trägen zum Metadiskurs bzw. den Begriff re-
Begriffes „political correctness“ und des darüber
produzierenden Beiträgen unterschieden und
geführten Metadiskurses fällt allerdings auf,
mit den Methoden der kritischen Diskursanalyse
dass Begriff und Diskurs inhaltlich in erster Li-
untersucht. Zu ersteren zählen v.a. Buch-
nie konservativ und rechtsextrem gefüllt sind.
modellbildende akademische und journalis-
Konnotierung der Bezeichnungen „political
tische Texte. Die zweite Quellengruppe setzt
ÖZP, 31 (2002) 3
sich aus LeserInnenbriefen und ebenfalls jour-
griff ausschließlichals negative Fremd-
bezeichnung verwendet. Mit der Zeit wurde der
Die folgende Darstellung versucht, die Ge-
Begriff allerdings auch von Linken mitsamt sei-
schichte und die Inhalte des Diskurses zu re-
ner negativen Konnotationen in die Kritik an
konstruieren und seine Funktionen herauszu-
der Linken integriert (Weir 1995, 53 f.).
filtern. Zur Vorgeschichte des deutschsprachi-
gen Diskurses zählt der US-amerikanische Dis-
über „political correctness“ in der BRD oder in
kurs, der v.a. in den Medien und im akademi-
Österreich, handelte es sich in den USA in ers-
schen Bereich geführt wurde. Daran schließt die
ter Linie um einen akademisch und medial ge-
Darstellung des Diskurses in der BRD und Ös-
führten Diskurs. Aufgrund der Form und Weite
terreich an, nämlich wann und von wem der
der Auseinandersetzung in den USA interpre-
Diskurs importiert und auf welchen Diskurs-
tiert Diedrich Diederichsen die neokonservative
Ausrichtung dieses Diskurses als „einen Krieg
schließlich die Funktion und ideologische Aus-
nicht gegen einzelne Inhalte von Wissenschaf-
richtung des Diskurses herausarbeiten zu kön-
ten, sondern als Attacke auf die Geisteswissen-
schaft schlechthin“ (Diederichsen 1996, 23). Denn auf die Kritik der Frauen-, Schwulen-,Lesben- und Civil Rights-Bewegungen an der
„Political Correctness“ in den USA
androzentrischen und weißen Dominanz in uni-versitären Lehrplänen, auf die daraus resultie-
Der Begriff „political correctness“ hat seinen
Ursprung in den USA. Die Bezeichnung wurde
berechtigungsmaßnahmen (affirmative actions)
aber ebenso wie der Diskurs aus den USA in
sowie auf die Etablierung vonwomen’s, gay/
den deutschsprachigen Wortschatz erst zu einem
lesbian und black studies antwortete das neo-
bestimmten Zeitpunkt und aus einem spezifi-
konservative Lager diskursstrategisch mit der
Synonymisierung dieser Forderungen mit der
Lorna Weir (1995) rekonstruierte für den
negativ konnotierten „political correctness“
nordamerikanischen Diskurs drei Phasen, an
deren Ende der Begriff „political correctness“
Dorothy E. Smith (1995) wertet die Bezeich-
so sehr in den Alltagsdiskurs integriert war, dass
nung „politically correct“ als ideologischen
man von einem „household word“ (Weir 1995,
Code, der von neokonservativer Seite instru-
51) sprechen kann. Der Beginn der ersten Pha-
mentalisiert wird. Die spezifische Funktion ide-
se war ein „social movement use dating from
ologischer Codes ist es, in öffentlichen Diskur-
the late 1960s“, an den ein „mass media use
sen zu operieren und dort gesprochenen bzw.
located in newspapers during the 1980s“ an-
geschriebenen Text zu strukturieren. Die Art und
schloss, dem wiederum eine „media news wave
Weise, wie ideologische Codes Texte bzw. Ge-
from October 1990“ folgte (Weir 1995, 53).
spräche organisieren und deren Inhalte regulie-
Während in der ersten Phase der Begriff in
ren, definiert zwar, worüber und in welcher
seiner Adverbform „politically correct“ inner-
Weise über Themen gesprochen wird, doch er-
halb der Linken und Neuen Sozialen Bewegun-
scheint es den DiskursteilnehmerInnen nicht als
gen als ironische Selbstkritik an andere Gleich-
Zensur, obwohl der Code implizit diese Funkti-
gesinnte gerichtet war, wurde die Bezeichnung
on zu erfüllen hat (Smith 1995, 27).
in der zweiten Phase der massenmedialen Ver-breitung als Fremdbezeichnung kritisch und
Thus the PC code, as regulator of the social relations
meist schon negativ konnotiert auf linke, femi-
of public discourse, sets up a discursive order locating
nistische und antirassistische Gruppen angewen-
the reading/listening subject within the circle that pre-serves the ‘normal forms’ and exclusions against ini-
det. Im Zuge der dritten Phase, zu Beginn der
tiatives for change from those the circle marginalizes.
1990er Jahre, wurde der Diskurs vollkommen
It redraws the time-dishonoured boundaries constitut-
von Neokonservativen dominiert und der Be-
ing the centrality of white masculinity to the relations
of ruling and the otherness of those who challenge that
de und diffamierende Funktion nicht nur, son-
dern politisierte den Diskurs in eine spezifische
Entscheidend für den Einfluss und die Wir-
kungsmächtigkeit ist außerdem, dass der Code
The text constitutes PC as co-hyponym of orthodoxy,
unabhängig von jenen Ideologien agiert, die ihn
Stalinism, fascism, and fundamentalism. The text may
ursprünglich hervorgebracht haben, sodass der
also be read as placing PC at the same level of
Code auch von Personen aufgegriffen und re-
hierarchy as fascism and constituting orthodoxy and
produziert wird, die diesen Ideologien eigent-
fundamentalism as superordinate to PC andfascism. (Weir 1995, 66)
Bezogen auf den Begriff „political correct-
In dieser Verfasstheit – entnommen aus einem
neokonservativ dominierten Diskurs zu einemZeitpunkt, als der Begriff schon seine inhaltli-
‘Political correctness’ as an ideological code is a piece
che Bedeutungsverschiebung erfahren hatte und
of the counter-establishment’s resistance to loss of anexclusive authority founded in gender and imperialism
mit negativen, diffamierenden Konnotationen
within the sphere of public discourse. (Smith 1995, 31)
ausgestattet war – wurde die Bezeichnung„political correctness“ auf der journalistischen
Der reaktionäre Background des Begriffes
Ebene in den öffentlichen Diskurs der BRD ein-
„political correctness“ trat in den USA ab Be-
ginn der 1990er Jahre deutlich zu Tage. Ein we-sentlicher Faktor in dieser Entwicklung war einNew York Times-Artikel von Richard Bernstein
„Politische Korrektheit“ in der BRD
(1990). Bernstein übernahm die neokonservative
Wesentlicher Anfangspunkt des deutschspra-
Instrumentalisierung des Begriffes und festigte
chigen Diskurses zu „political correctness“ sind
die negative Konnotation von „political
Jörg Uthmanns (1991) und Dieter E. Zimmers
correctness“ im journalistischen Diskurs. Mit der
(1993) Artikel in der Frankfurter Allgemeinen
Darstellung angeblich „politisch korrekter“ In-
Zeitung bzw. in Die Zeit. Zimmers Artikel wirkte
halte, Theorie und Praxis lieferte Bernstein den
hier ebenso modellbildend wie Richard Bern-
LeserInnen eine Art Gebrauchsanweisung zur
steins NYT-Artikel. In der Folge widmeten sich
Identifizierung von „political correctness“ und
vor allem bundesdeutsche Elitemedien einem
ihrer AkteurInnen, indem er unter das überge-
journalistischen Meta-Diskurs zu „political
ordnete Phänomen „pc“ verschiedene Positio-
correctness“, der mit drei Subthemen verknüpft
nen als Hyponyme subsumierte. Durch das spe-
wurde: Frauen, marginalisierte und diskriminier-
zifische Verknüpfen unterschiedlicher Begriffe
produzierte der Text eine neue gemeinsame Be-
Karsta Frank (1996a) hält in ihrer Analyse
deutung für diese (Weir 1995, 64). Subsumiert
fest, dass von einer publizistischen Debatte, in
wurden etwa affirmative action, gay/lesbian
der KritikerInnen und BefürworterInnen ihre Ar-
studies, antirassistische und feministische Posi-
gumente austauschen, keine Rede sein konnte.
tionen, die zugleich negativ konnotiert wurden. Gemeinsam ist all diesen Co-Hyponymen ihre
Tatsächlich unterscheiden sich die Beiträge nach ih-
tatsächliche Opposition zu neokonservativen
rem intellektuellen Niveau und der Differenziertheitihrer Argumentation, aber die Unterschiede in der
Inhalten, vor allem in den akademischen und
politischen Bewertung der ‚PC‘ sind kaum auszuma-
chen: Die ist durchgängig kritisch. (Frank 1996a, 25)
The meaning entailment between PC and its
hyponyms enabled neoconservatives to simul-
taneously attack a wide host of changes taking place
„insgesamt einige intellektuelle Stufen niedri-
in the university today, unifying them under a
convinient-to-use collocation. (Weir 1995, 64)
Nicht so sehr rechte Professoren vom Campus, son-
Bernstein reproduzierte diese stigmatisieren-
dern beflissene Journalisten boxten das ‚pc‘-Plagiat
über die Feuilletonseiten in den öffentlichen Diskurs.
am Buchmarkt forciert wurde, sind öster-
reichische Beiträge zum Diskurs in erster Linie
in Tageszeitungen (hier vor allem in Kommen-
Integration des Begriffes „political correctness“
taren und LeserInnenbriefen) sowie in politi-
mit seiner diffamierenden Konnotierung als
schen Debatten zu finden. Im Vergleich zur BRD
„erfolgreiche(s) Produkt eines medialen Diskur-
setzte die österreichische Diskursentwicklung
ses“ (Frank 1996a, 25) identifiziert werden.
zeitlich etwas später ein, verlief inhaltlich
Ab 1995 setzte parallel zum Feuilleton auf
allerdings weitestgehend identisch. Für die
österreichische Diskursgeschichte wird dies am
“pc“-Boom ein. (Neo-)Konservative und rechts-
Beispiel eines Artikels im Lifestylemagazin
Wiener deutlich (Wiener Nr. 191, April 1996).
„political correctness“ ganze Bücher, da sie „pc“
Peter Hiess und Franziskus Kerssenbrock rech-
für eine „Gefahr“ für Demokratie, Meinungs-
nen in ihrem – sicherheitshalber als Polemik
freiheit sowie für hegemoniale Männlichkeit
ausgewiesenen – Text mit der „drohenden Dik-
und patriarchale Ordnungsmodelle hielten. 1997
tatur der Halbgebildeten und Humorlosen über
war der Begriff schließlich in den öffentlichen
Sprache und Gesellschaft“ ab. Dabei konzent-
Diskursen schon so geläufig, dass sich seine
rieren sich die beiden Autoren vor allem auf die
deutsche Übersetzung „Politische Korrektheit“
Beschreibung „politisch korrekter“ Verhaltens-
endgültig durchsetzte (Huhnke 1999, 24).
weisen. Sie charakterisieren die „Spezies“ „gute
Deutlich ist die direkte Bezugnahme auf die
Menschen“ und geben den LeserInnen Tipps,
wie man „politisch Korrekte zur Weißglut treibt“:
Erzählen Sie Schwulen-, Neger- und sonstige ‚ge-
deutschen Diskursteilnehmern thematisiert.
schmacklose‘ Witze. (.) Treten Sie für die Meinungs-
freiheit ein – auch für die der Rechten. (.) Behaup-
zwei erklärte „pc“-Gegner, nehmen auf den Dis-
ten Sie, dass es Intelligenzunterschiede zwischen den
kurs der USA Bezug, um die nationalen Unter-
Rassen gibt. (Wiener Nr. 191, April 1996)
schiede und spezifischen Auswirkungen dieser„Gefahr für die Demokratie“ in der BRD her-
Antifeministische, frauenfeindliche, antisemi-
tische und rassistische Elemente dominierendiese diffamierende und lächerlichmachende
Den beiden amerikanischen Kerndomänen der Poli-
Darstellung. „Politisch korrekt“ sei man, wenn
tischen Korrektheit, Rasse und Geschlecht, trat in
man „Frau, schwul, Jude oder Neger“ sei. Au-
Deutschland zwangsläufig eine dritte hinzu: die eige-
ßerdem werden Vergleiche mit dem National-
ne Vergangenheit. Während in Amerika die Frage, obNeger dümmer oder Frauen unterwürfiger sind, das
sozialismus angestellt („die Verhinderer und
absolute Tabu berührt, ist es in Deutschland die Fra-
Bücherverbrenner des ausgehenden 20. Jahr-
ge, ob Juden reicher oder Bolschewisten böser als
hunderts“) und die Shoah wird verharmlost
(„verabscheuungswürdige Dinge wie Sklaverei,Atomkrieg, Waldsterben, Holocaust und karierte
An diesem Beispiel wird deutlich, welche ras-
sistischen, antisemitischen und sexistischen
Kurze Zeit später wurde in der rechtsextremen
Formen in diesem Diskurs ihren Ausdruck fin-
österreichischen Zeitschrift Aula (7-8/96) die-
den und inwieweit die inhaltliche Füllung von
ser Artikel – neben der Wiedergabe von Konrad
Begriff und Diskurs rechtsextremen Intentionen
Paul Liessmanns (1996) Aufsatz Der guteMensch von Österreich sowie dem Appell der100 – Die Meinungsfreiheit ist in Gefahr – ab-
„Politische Korrektheit“ in Österreich
gedruckt. Somit ist spätestens seit 1996 in Ös-terreich die Aufweichung der ideologischen
Während in der BRD der Diskurs zu „political
Grenzen im Anti-„pc“-Diskurs festzustellen, die
correctness“ in erster Linie in den Medien und
sich in den nächsten Jahren weiter fortsetzte. Das „Wesen“ der „Political Correctness“
allen Diktaturen eigenen Anspruch auf Alleingüte. Wasnicht dieser Gütenorm gerecht wird, was sich nicht
Die Funktion des Metadiskurses zur „political
fügt und anpaßt, wird diffamiert und ausgegrenzt. Widerspruch wird nicht geduldet, Unpassendes ver-
correctness“ ist die Bildung eines Modelles,
schwiegen oder schöngelogen. Diktaturen benutzen
anhand dessen das Wesen – d.h. Inhalte, Ideo-
stets die gleichen Mittel. (.) Erst wenn das wahre Ge-
logie und Methode – von „pc“ identifizierbar
sicht der Diktatoren erkennbar wird, werden auch die
gemacht werden sollen. Es werden ausschließ-
Absichten, die Helfer und die Hilfsmittel sichtbar. Im
lich Denkbilder verwendet, deren soziale Be-
Fall der Political Correctness wird dann deutlich wer-
wertung und Verurteilung im Alltagswissen he-
den, wie eng die Grenze der Meinungsfreiheit in die-
gemonial ist. Denkbilder mit totalitären und dik-
sem Land inzwischen gezogen wurde, wie alltäglichdie Diktatur der Political Correctness geworden ist.
tatorischen Eigenschaften sind im Anti-„pc“-
Dieses Buch will helfen, die Strategien der Political
Diskurs ebenso stark zu finden wie religiöse und
Correctness zu erkennen.(Groth 1996, 9 f.)
ethische Metaphern. „Political correctness“ wirddann u.a. als „Dogma“, „Inquisition“, „Zensur“,
Groth schreibt hier „political correctness“ jene
„Meinungsterror“, „Hetze“, „Relikt des Dritten
Wesenselemente und Charaktereigenschaften
Reiches“, „sprachlicher Benimmkodex“, „pha-
zu, die im gesamten Anti-„pc“-Diskurs domi-
risäisch“, „Blockwartsystem“, „Diskurs-
nant sind. „PC“ erscheint als gesichtslose, ano-
apartheid“, „Balkanisierung des Denkens“,
nyme diktatorische Macht. Sein Konstrukt der
„totale(r) rhetorisch-diskursive(r) Vernichtungs-
„political correctness“ vermittelt das Bild einer
wille“, „Gedankenpolizei“, „Diktatur“ oder
eingeschworenen Sekte, die unberechenbar,
verschworen und vor allem (noch) unentdeckt
Mit Hilfe dieser Denkbilder werden Inhalte
ihre Ziele mit totalitären Methoden verfolge.
und politische Zielsetzungen ausgeblendet und
heruntergespielt, während an deren Stelle ihre
wiederum bezeichnen „political correctness“ als
angeblich intolerante und totalitäre Theorie und
„verbale Apartheid, die tausende Homelands
Praxis gesetzt werden.Bei den meisten totalitä-
schafft und aus diesen dann einen seggregierten
ren Denkbildern handelt es sich zudem um sol-
Staat“ bilde (Behrens/Rimscha 1995, 177).
che, die seit 1945 im revisionistischen und
Ulrich Schacht spricht bei seinen Überlegun-
gen zur „deutsche(n) Identität nach Auschwitz“
Rechten gebräuchlich sind. In diesem Fall kann
ebenfalls vom „Blockwart-System der westdeut-
eine eindeutige Einflussnahme bzw. Nutzung
schen PC-Gesellschaft“, in der für sein Emp-
der Anti-„pc“-Begrifflichkeiten durch rechts-
finden eine „Diskurs-Apartheid“ (Schacht 1994,
extreme Diskurse festgestellt werden.
60) mit „totale(m) rhetorisch-diskursive(n)
Den totalitären und diktatorischen Charakter
Vernichtungswillen“ gegenüber der „eigenen
der „political correctness“ betonen beinahe alle
nationalen Identität“ herrsche, die „mit dem to-
Autoren von Anti-„pc“-Büchern. Klaus J. Groth,
talen Vernichtungswillen NS-Deutschlands ge-
konservativer Publizist und Journalist u.a. der
genüber dem jüdischen Volk“ (Schacht 1994,
rechten Zeitung „Rheinischer Merkur“, soll
stellvertretend hier zu Wort kommen, weil sei-
Welche Funktionen erfüllt nun der Begriff
ne Konstruktion die wesentlichen Basis-Charak-
„political correctness“ mitsamt seinen anti-de-
mokratischen und anti-emanzipatorischen Zu-schreibungen? Zwei Funktionen dominieren die
Die Diktatur hat einen neuen Namen: Political
Correctness. Sie kennt keinen Diktator. Nur Diktato-
ren. Sie ist die Herrschaft der Minderheit über dieMehrheit. Die Minderheit der Political Correctness ter-rorisiert mit ihrem einseitig erklärten Tugendkanon,
Stigmawort „Political Correctness“
erstickt in Deutschland die Meinungsfreiheit. Die Ein-haltung des Kanons wird unerbittlich im Namen des
Die Verwendung von Stigmawörtern in poli-
Guten, der ewigen Gerechtigkeit gefordert. Mit dem
tischen Auseinandersetzungen ist seit jeher Teil
politischer Diskurse. Sie dienen als „griffige
dass „das Konzept des Stigmawortes (.) of-
Kürzel für die Programme und Positionen des
fenbar auf dem Weg (ist), geltende semantische
politischen Gegners“ (Frank 1996b, 187) und
Norm zu werden, die – unabhängig von ihrer
erfüllen primär die Funktion, die politische Ge-
politischen Einstellung – von allen Sprecher-
genseite herabzusetzen und als Feind der ver-
innen und Sprechern anerkannt wird“ (Frank
bindlichen sozialen Werte zu kennzeichnen. Im
1996b, 209), hat sich bestätigt. In diesem Sin-
Gegensatz zu politischen Fahnenwörtern han-
ne ist der Begriff „political correctness“ in sei-
delt es sich bei Stigmawörtern allerdings
ner aktuellen dominanten und hegemonialen
durchwegs um negative Fremdbezeichnungen.
Konstitutiv für die Funktion von Stigma-
zeichnung und mit moralisch-imperativen Kon-
wörtern ist deren „deotonische Bedeutungs-
notationen besetzt – als Stigmawort zu identi-
komponente“ (Frank 1996b, 187), die dem Wort
eine imperative nichtdürfen-, dürfen- oder sol-len-Konnotation als integralen Bestandteil bei-fügt. Feindbild „Political Correctness“
Damit läßt sich begrifflich fassen, daß die Bewertung
durch die Sprecherin und der Appell an den Adressa-ten, sich dieser Bewertung anzuschließen und entspre-
und Feindbild ist notwendig, da mit der Fremd-
chend zu handeln, häufig einund dasselbe sind. (Frank
definition „pc“ nicht nur bestimmte inhaltliche
Positionen bezeichnet werden, sondern aucheine Gruppe von Personen gemeint ist, die na-
menlos und in gewisser Weise auch gesichtslos
ein Stigmawort wiederum konkret besitzt, wird
imaginiert wird. Nämlich als unkonkrete,
durch die zu diesem Zeitpunkt geltende seman-
formenlose und unscharfe, aber doch machtvolle
tische Norm bestimmt. Diese Norm wird dis-
und bestimmende ideologische Kraft. Ein von
kursiv hergestellt und speist sich aus dem do-
konspiratorischen Ideen getragenes Feindbild
wie das Konstrukt „political correctness“ ermög-
liegenden hegemonialen Wertesystem (inklusi-
licht es nämlich, „Aggressionen, Haß und En-
ergien, die aus einer unterdrückten Frustration
Stigma- und Fahnenwörter sind generell um-
erwachsen, (.) auf ein einheitliches Feindbild
kämpft und stützen sich selten auf nur eine gel-
– den ideologischen ‚Sündenbock‘“ – zu fokus-
tende Norm. Tatsächlich liegen der Etablierung
sieren und so mit stabilisierender Funktion von
von solchen Schlagwörtern immer mehrere se-
den herrschenden Strukturen abzulenken (Petri
mantische Normenkonzepte zugrunde, die in
1998, 196). Die Feindbildkonstruktion einer
konkurrierenden Diskursen realisiert werden.
„politisch korrekten“ Die-Gruppe weist zudem
Bei dem Begriff „political correctness“ kann
in Struktur, Funktion und Intention auffallende
jedoch von einer Konkurrenz verschiedener
Parallelen zu antisemitischen Verschwörungs-
Normenkonzepte keine Rede sein. Frank kon-
statierte für die Diskurssituation der BRD, dass
Charakteristisch für die „pc“-Rezeption in der
bis dahin „pc“ zwar „nicht ausschließlich als
BRD und Österreich war/ist das absolute Feh-
Stigmawort gebraucht (wurde), aber das Kon-
len einer real existierenden Gruppe, Institution
zept des Stigmawortes ist offenbar so dominant,
oder ähnlichem, die sich das Etikett „politisch
korrekt“ selbst angeheftet hätte. Tatsächlich
Distanzierungssignale positiv auf ‚P.C.‘ zu be-
erfüllte der Begriff in erster Linie seine Funkti-
ziehen“ (Frank 1996b, 209). An diesem Zustand
on als Fremddefinition bzw. -zuschreibung, zu
hat sich in den vergangenen Jahren im wesent-
der die stigmatisierende und diffamierende Be-
lichen nichts geändert, vielmehr ist eine
deutung hinzugefügt wurde. Somit war das son-
derbare Phänomen zu beobachten, dass die
KritikerInnen der „political correctness“ auf
keine GegnerInnen stießen, die sich selbst als
Dazu dürften das Engagement für gesellschaftliche
„politisch korrekt“ bezeichnet hätten. Ge-
Demokratisierungs- und Emanzipationsprozesse
gnerInnen mussten erst konstruiert werden,
ebenso gezählt werden wie die Parteilichkeit für dieUnterdrückten, Diskriminierten und Unterprivilegier-
wobei auf die traditionellen Feindbilder der al-
ten in dieser Gesellschaft, für Frauen, für Homosexu-
ten und neuen Rechten zurückgegriffen wurde.
elle, für Flüchtlinge, für Ausländerinnen und Auslän-
Dabei ist zu beobachten, dass dieser reaktionär
dominierte Diskurs ebenso von Linken wie auchvon Rechten geführt wird, die vor allem überihre antifeministischen Positionen zusammen-finden und mit der abwertenden Formel „pc“
Ideologische Funktionen des Stigmawortes
Frauen lächerlich machen, „die zu sehr auf ihre
und Feindbildes „Political Correctness“
Rechte pochen, mit dem schlichten Hinweis aufihre politische Korrektheit“ (Junge/Naumann/
Schon für die journalistische Inszenierung der
feministische, rassistische, antisemitische und
negativen „pc“-Konstruktion – in den USA wie
andere diskriminierende Äußerungen wieder
auch in der BRD und in Österreich – war pri-
tätigen zu können, ohne dabei wesentliche Sank-
mär charakteristisch, dass die Texte nicht auf
tionen befürchten zu müssen. Die „Dinge wieder
die Reflexionsfähigkeit der LeserInnen abziel-
beim Namen nennen“ (Groth 1996, 21) zu kön-
ten, sondern Stereotype voraussetzten, bedien-
reichischen „pc“-GegnerInnen als vorrangigesBedürfnis genannt. Stellvertretend kommt hier
Statt zu argumentieren, stellen die Verfasser und
– zur Veranschaulichung der diskriminierenden
Verfasserinnen eine pejorative Bedeutung von P.C. mit
Funktionen des Anti-„pc“-Diskurses – wieder
suggestiven Strategien wieDiffamierung und
Banalisierung her, die mit Hilfe mehr oder wenigersubtil eingesetzter sprachlicher Mittel (Anspielungen,Metaphorisierungen, Präsupposition, implizite
Der Neger ist ein Neger. Und das bleibt er auch. Der
Schlußfolgerung usw.) umgesetzt werden. (Frank
Schwule ist ein Schwuler, und wenn er mit sich ein-
verstanden ist und sich nicht ummodeln lassen muß,dann bleibt er’s auch. Die Putzfrau ist eine Putzfrau,
Ein wesentliches semantisches Mittel in der
und solange sie damit ihr Geld verdient, nennt sie sich
Denkbilder und Chiffrierungen. Unter der Chif-fre „political correctness“ werden „die Linke“,
Konkret auf den rechtsextremen Diskurs zu
„der Feminismus“, „der Antifaschismus“ etc.
„political correctness“ bezogen, sind hier ebenso
pauschal und zugleich variabel subsumiert, denn
während die einen ihre Anti-„pc“-Haltung vor
Sagbarmachung des bisher Unsagbaren auszu-
allem gegen Teile der Neuen Sozialen Bewe-
machen. Tabubrüche werden inszeniert und ze-
gungen, Feministinnen oder AntifaschistInnen
richten, wenden sich andere „pc“-Oppo-nentInnen gegen UmweltschützerInnen,
Political correctness ist ein Kampfbegriff, mit dem
TierrechtsaktivistInnen oder gar gegen Müll-
rechtsextreme Ideologen demokratische Positionen in
trennung. Aufgrund des inflationären Gebrauchs
Frage stellen, um ihre eigene Position um so wirkungs-
und der Unschärfe der Bezeichnung „pc“, die
voller zur Geltung zu bringen. Der Effekt dieser
konstitutiv für deren Funktion und Instru-
Diskursstrategie steigert sich noch, wenn die vermeint-
mentalisierung ist, können die vermeintlichen
lichen Vertreter von pc mit einer Machtfülle imagi-niert werden, die ihresgleichen sucht. Unter dem Vor-
„pc“-AkteurInnen und Subjekte nur über den
wand, das Nicht-Sagbare sagbar zu machen, werden
Umweg der „pc“ zugeschriebenen inhaltlichen
undemokratische Positionen als legitime Äußerungen
Re-Patriarchalisierung
gien wie Ironisierung, Banalisierung, Um-deutung, Diffamierung sowie Täter-Opfer-Um-
Generell ist die Ausrichtung des Anti-„pc“-
kehr, die zu einem großen Teil auf feministi-
Diskurses von Re-Patriarchalisierungs- und
sche Inhalte und Positionen angewendet wer-
Normalisierungstendenzen geprägt. Unter dem
den, trägt eines der Feindbilder eindeutig weib-
Begriff der Re-Patriarchalisierung sind hier
liche – genauer: feministische – Züge (Frank
nicht nur sämtliche sexistische und anti-
feministische Intentionen zu fassen, sondern
Zwar ist Franks Analyse dieser ideologischen
ebenso (neo-)rassistische, antisemitische, nati-
Funktion zuzustimmen, doch erfüllt der Diskurs
onalisierende, homophobe und prinzipiell ho-
in der BRD und Österreich zusätzliche Funkti-
mogenisierende Bestrebungen, die die umfas-
sende Restauration westlich-patriarchaler
Modifizierung von antisemitischen, nationalis-
Ordnungsmodelle zum Ziel haben. D.h., der
tischen, rechtsextremen und rassistischen
Diskurs ist allgemein konservativ ausgerichtet
Diskurselementen festzustellen. Aus diesem
und bietet etliche Anknüpfungspunkte für ex-
Grund ist der Diskurs zu „political correctness“
trem konservative – also rechtsextreme –
in Österreich und in der BRD als elementarer
Teil der Normalisierungsdiskurse zu bezeich-
Die Vehemenz und verbale Aggressivität, mit
nen, mit national ähnlichen, aber doch auch spe-
der in den USA wie auch in der BRD und Ös-
zifischen Funktionen und Ausrichtungen. Für
terreich „political correctness“ angegriffen wird,
welche Politiken und Inhalte unter dieser Be-
sierungsdiskurse nachdem Fall der Berliner
zeichnung subsumiert werden und zu welchen
Mauer, etwa die Auseinandersetzungen um das
konstrukt von seinen GegnerInnen aufgeblasen
Walsers Friedenspreisrede zu nennen. Normali-
wurde, legt einen Schluss nahe. Nämlich dass
sierungsdiskurse werden vor allem von jenen
es aufgrund der Kritik und Dekonstruktion
vorangetrieben und etabliert, die sich als Teil
patriarchaler/weißer/heterosexueller/euro-
der nationalistischen „89er Generation“ verste-
zentristischer Normenkonzepte und Ordnungs-
hen. In Österreich profitiert davon im wesentli-
modelle auf Seiten der davon Profitierenden zu
chen das wertkonservative und rechtsextreme
Lager – parteiförmig repräsentiert durch ÖVP
mustern kam, „mit denen die empirische Reali-
tät ungleicher Partizipation nicht nur gerecht-fertigt, sondern auch bereits gewandelte Struk-turen wieder re-maskulinisiert bzw. re-ethnisiert
Re-Maskulinisierung
werden können“ (Huhnke 1997, 323).
Zudem ist „political correctness“ im öffentli-
Innerhalb der Re-Patriarchalisierungsziele des
chen Diskurs als ein „überwiegend von Männern
Anti-„pc“-Diskurses sind zudem re-masku-
genutzte(s) sprachliches Phantom“ zu sehen
linisierende Elemente zu erkennen. Hier wird
(Huhnke 1997, 316). Der deutschsprachige Dis-
versucht eine Form von Männlichkeit zu insze-
kurs zu „pc“ ist aufgrund der Dominanz und
nieren, die zum einen das „Weibliche“ als das
Mehrzahl männlicher Diskursteilnehmer, der in-
absolut Andere konstruiert und zum anderen ei-
haltlichen Ausrichtung der Anti-„pc“-Positionen
nen starken männlich-soldatisch-heroischen
(Re-Patriarchalisierung) sowie der in diesem
Touch verleiht, den die Vertreter der „Neuen
Diskurs vermittelten Vorstellungen von Männ-
lichkeit als „männlicher“ Diskurs zu werten.
Die inszenierte Selbstheroisierung als mutige
Für Karsta Frank (1996a) erfüllt der Anti-
Kämpfer gegen „political correctness“ ist vor al-
„pc“-Diskurs der BRD vor allem die Funktion,
lem bei konservativen, „neurechten“ bzw. rechts-
eine neue Form von Antifeminismus zu eta-
extremen „pc“-Gegnern zu finden. Das wohl
blieren. Durch den Einsatz diskursiver Strate-
deutlichste Beispiel dieser Restauration eines
chauvinistischen Männlichkeitsbildes ist ein Ar-
Als ein journalistisches Beispiel für die Sym-
tikel von Gerhoch Reisegger in der rechts-
extremen Aula (Aula 5/96). Reisegger sieht „Wi-
nisierung und „Widerstand“ gegen „political
derstand“ gegen „political correctness“ als his-
correctness“ ist ein anderer Artikel aus dem
torischen Auftrag für deutschnationale und schla-
österreichischen Lifestylemagazin Wiener zu
gende Burschenschaften. Aus den ideologischen
zitieren. „Im Jahr von Clinton, Postfeminismus
Ursprüngen dieser Männerbünde leitet Reisegger
und Viagra“ verfasste der Autor Manfred Sax
diese Berufung ab. Ihre heute noch währende
ein „maskuline(s) Manifest“. Sax’ düsteres Sze-
„Treue zu Volk und Vaterland“ befehle den Bur-
nario: „Die Männerwelt steht nicht mehr lang.
schenschaften geradezu, diese mit allen Mitteln
Der männliche Mann, früher ein Jäger und Ero-
und Kräften zu verteidigen. Durch seine drama-
berer, ist heute eine vom Aussterben bedrohte
tisierende Stilisierung des „absoluten Feind(es)“,
Spezies.“ (Wiener 221/Oktober 1998) Schuld
der mit „Massenvernichtungsmitteln“, „ideolo-
daran seien „Feminismus und die Gebote der
gischer Kriegsführung“ und „political correct-
Politischen Korrektheit“, die dem „männlichen
ness“ als „Mittel der permanenten Kriminalisie-
Mann“ seinen „Lebensraum“ nehmen und ihn
rung“ ausschließlich auf „Vernichtung“ des
von seinen „primären Aufgaben“, nämlich
„deutschen Volkes“ aus sei, gerät auch „Wider-
„Selbsterhaltung und Fortpflanzung“, abhalten
stand“ zur männlich-heroischen Tat.
Von der totalen „Vernichtung“ sieht auch
nen Presse-Kolumnen, „es gehört Mut dazu,
Groth die Männer durch die feministische Kom-
sich nicht dem Diktat der Political Correctness
ponente der „political correctness“ bedroht. In
zu beugen“ (Die Presse 10. 1. 1998). Dass
seiner Imagination werde die „maskuline Do-
„political correctness“ mit un-„männlicher“ –
minanz“ solange „ausgemerzt“, bis das feminis-
also „weiblicher“ – Feigheit assoziiert werden
tische Ziel erreicht sei: „Wenn die Männer eli-
soll, will offensichtlich auch Klaus J. Groth,
miniert sind“. „Erst in der Sprache, dann im
denn er meint: „Tapferkeit ist keine Vokabel aus
Bewußtsein und schließlich aus dem Leben,
dem political correcten Wortschatz.“ (Groth
abgeschoben in abgesicherte Reservate?“ (Groth
1996, 214 f.) In Groths Bedrohungsszenariowird die antifeministische Intention noch mithomophoben Feindbildern ergänzt, denn die
Antifeminismus – Neorassismus –
Gegnerin trägt nicht nur feministische, sondern
Antisemitismus
auch lesbische Züge: „Die Konsequenz ist les-bisch. (.) Lesbischsein wird zum letztgültigen
Da der Diskurs als „Vernetzungsknoten“
Nachweis vollendeter Emanzipation.“ (Groth
funktioniert, mit dem „sich dieVielfalt unter-
schiedlicher Ausgrenzungsdiskurse bündeln und
Die rassistisch dominierten Teile des Anti-
in den Dienst von Täter-Opfer-Umkehrungen
„pc“-Diskurses decken sich in Argumentation
stellen lässt“ (Huhnke 1997, 316), finden sich
und Inhalt mit dem neorassistischen „Ethno-
antifeministische, rassistische/antisemitische,
pluralismus“-Diskurs der „Neuen Rechten“.
anti-antifaschistische, nationalistische Diskurs-
Hauptangriffsziel ist die „Multikulti“-Gesell-
schaft, die von „Gutmenschen“ und „politisch
Die Variante des Anti-„pc“-Diskurses, in der
Korrekten“ angestrebt werde. Laut Behrens und
antifeministische Positionen dominant sind,
Rimscha sei das „erste Gebot aller politisch
bezieht sich auf die Abwehr feministischer For-
Korrekten“ nämlich „Mein Freund ist Auslän-
derungen, Maßnahmen und Errungenschaften
der“, da versucht werde, „auf Biegen und Bre-
in allen sozialen und politischen Bereichen.
chen die Multi-Kulti-Societas“ durchzusetzen.
Diese ideologische Ausrichtung ist nicht bei
Denn „wenn es ein Minenfeld auf dem Terrain
allen „pc“-GegnerInnen gleichermaßen domi-
des politisch Korrekten gibt, dann ist das die
nant, doch zumindest latent vorhanden.
Debatte über Einwanderung, Asyl und Aus-
länderkriminalität.“ (Behrens/Rimscha 1995,
correctness“ nämlich wie „ein Prinzip kommu-
132) Menschen in Migration oder auf der Flucht
nizierender Röhren“ und „eine Hand wäscht die
andere“. „PC“ sei ein Freundschaftsdienst, in
„Ausländerkriminalität“ gebracht. Behrens und
dessen Genuss man nicht allein durch „Gesin-
Rimscha belassen es allerdings nicht bei dieser
nung“, sondern durch „Geld, Einfluß, Posten
rassistischen Projektion, sondern sprechen für
und Prestige“ komme (Groth 1996, 69). Auch
die deutschen Verhältnisse - nach den Mordan-
Robert Streuckers, eine zentrale Figur in der
schlägen auf MigrantInnen in Rostock, Lichten-
belgischen „Neuen Rechten“ sowie im rechts-
hagen, Mölln, Solingen, etc. - auch noch von
extremen Netzwerk der „Europäischen Syner-
einer „vermeintlichen Fremdenfeindlichkeit“,
gien“, spricht ebenso von den „organisierten
die von den „Meinungsmachern“ dementspre-
Kreise(n) der ‚political correctness‘“ (Zur Zeit
chend instrumentalisiert werde: „Ausländer sei-
en immer Opfer, nie aber Täter.“ (Behrens/
Kurt Dieman griff in einem seiner Briefeei-nes gelernten Österreichers (Zur Zeit 6-7/00)
Hier wird neorassistische Argumentation in-
ebenfalls auf Verschwörungsmythen zurück.
sofern modifiziert, als nicht mehr allein die ge-
Penibel weist er die angeblich geheime Bedeu-
netische Programmierung bzw. triebhafte Ab-
tung der Zahlen, Symbole und Bilder im UNO-
wehr allen „Fremdens“ als Erklärung für ras-
Zeichen sowie im Staatssiegel der USA nach
sistisches Verhalten herangezogen wird, sondern
(„33 Grade der Hochgradfreimaurerei“ und die
außerdem die „politisch korrekte“ Ideologie und
Zahl 13 als „jüdische Glückszahl“), um u.a.
Politik. Die Methode dieser diskursstrategischen
behaupten zu können, die Basis der 13-stufigen
Modifikation ist sowohl die Behauptung anti-
Pyramide im Staatssiegel der USA stehe für
rassistischer Tabus, die zu brechen seien, als
„‚Gutmenschlichkeit‘ und ‚politische Korrekt-
auch eine Täter-Opfer-Umkehr. Unter der Be-
rufung auf das liberale Prinzip ist der neo-
Ariel Muzicant, Präsident der israelitischen
rassistische Diskurs der Meinungsfreiheit in der
Kultusgemeinde Österreichs, wurde von Zur
Lage, sich auf den politischen, journalistischen
Zeit-Redakteur Alexander Endlweber offen an-
und alltagssprachlichen Diskursebenen einzu-
tisemitisch angegriffen, indem er Muzicant mit
mischen und so seine Inhalte im öffentlichen
typischen Argumenten des sekundären Anti-
Diskurs – und damit in den Köpfen der Men-
semitismus als „Gutmensch“ beschimpfte, der
Der Diskurs zu „political correctness“ wird
semitismus in Österreich schuld sei (Zur Zeit
allerdings nicht nur rassistisch gefüllt, sondern
51-52/98). Dem „Juden“ Muzicant wurde ganz
erfüllt auch eine spezifische Funktion in der
in rechtsextremer Manier sein Platz außerhalb
der österreichischen „Volksgemeinschaft“
die zumindest strukturell, aber oft auch offen
antisemitisch formuliert werden. Als strukturell
füllte den „Gutmenschen“-Begriff mit anti-
antisemitisch sind jene Elemente in der „pc“-
semitischen Bildern, indem er Muzicant unter-
Konstruktion zu bewerten, die „political
stellte, die „ständig geforderte Toleranz selbst
correctness“ als anonyme, nicht-personale, nicht
nicht auf(zu)bringen“, „auf einem Rache-
greifbare, aber äußerst machtvolle Institution
feldzug“ zu sein, „den Moralapostel“ zu spie-
len und „Wasser zu predigen, aber Wein zu
Um die Macht und den extremen Einfluss von
trinken“ (Zur Zeit 51-52/98). Konstitutiv für
„political correctness“ möglichst überzeugend
Endlwebers Formulierungen ist die dominant
und nachhaltig konstruieren zu können, greifen
antisemitisch konnotierte Bezeichnung „Gut-
die AntisemitInnen unter den „pc“-GegnerInnen
mensch“. Der antisemitische Diskurs wird da-
auf jene Codes zurück, die Assoziationen mit
mit weiter modernisiert und mit dem „Gut-
„jüdischen Weltverschwörungen“ herstellen.
menschen“-Begriff wurde ein weiteres Code-
Groth zufolge funktioniere die „political
„Gutmenschen“
Kritik an Antifaschismus und linken Ideologi-en den Begriff des „guten Menschen“, den er
als negatives Synonym und diffamierende Me-
österreichischen und deutschen Diskurs zu
tapher für seine Argumentation nutzte.
„political correctness“ kurze Zeit nach dessen
Liessmann zufolge leide die österreichische Lin-
Etablierung auftrat und seitdem komplementär
ke seit 1989 unter einer „fundamentalen
wirkt, ist die Bezeichnung „Gutmensch“ zu se-
Legitimationskrise“, die mit einem bestimmten
hen. In US-amerikanischen Debatten existiert
Mittel vertuscht werde: dem „Gespenst des Fa-
kein anglizistisches Äquivalent. Interessanter-
schismus“ (Liessmann 1996, 32). Liessmann
weise gibt es für die deutschsprachige Begriffs-
konstruiert den „guten Menschen“ Österreichs
geschichte und Wortschöpfung des „Gut-
weiter als dichotomisch denkendes und handeln-
menschen“ keine einhellige Theorie für Ur-
des Wesen, das sein Weltbild nach Freund-
sprung und UrheberInnenschaft dieser seman-
Feind-Kriterien unterscheide und sich selbst
ausschließlich mittels Negativdefinition und
konnotierte, aber zuerst ironisch gemeinte Be-griff des „guten Menschen“ sei von der deut-
Der gute Mensch ist gut, weil andere böse sind. Erweiß nicht mehr, wofür er sein soll, aber er weiß,
schen Satirezeitschrift Titanic kreiert worden
wogegen er sein soll. (Liessmann 1996, 33)
(Diederichsen 1996, 112). Brigitta Huhnkewiederum nennt Kurt Scheel, den Herausgeber
Diese Unterscheidungen treffe der „gute
der konservativen deutschen Zeitung Rheini-
Mensch“ allerdings nicht aufgrund von objek-
scher Merkur, der für sich selbst die Urheber-
schaft des diffamierenden „Gutmenschen“-Be-
dungsfindungen, sondern er „wittert“ und „mar-
griffes reklamiert. Allerdings fand sich schon
kiert“ alles, was freundlich oder feindlich ist,
1981 in Botho Strauß’ Episodensammlung Paa-
denn „xenophil“, „gut und selbstlos“ wie dieser
re Passanten der eindeutig negativ konnotierte
Menschentyp sei, sind die Freund-Gruppen au-
Begriff „gut“ (Huhnke 1999, 22). Doch auch
tomatisch vorgegeben: „Ausländer und Frauen
wenn bezüglich der UrheberInnenschaft keine
zum Beispiel“. Auf diese Weise sorge der „gute
Einhelligkeit herrscht, ist doch die diskurs-
Mensch“ für „Ordnung“ und „Übersichtlich-
strategische Funktion der Fremdbezeichnung
keit“. „Mit einem Wort: Der gute Mensch er-
evident. Inhaltlich gleichermaßen entleert wie
setzt das Denken durch die Moral.“ (Liessmann
die Bezeichnung „pc“, wurde „Gutmensch“
letztendlich ein ebenso diskurspolitisch effizi-
Mittlerweile hat sich die negative Bedeutung
enter Baustein, der als ideologischer Code Be-
des Wortes „Gutmensch“ durchgesetzt und er-
deutungen regelt und Wertungen bestimmt, die
freut sich aufgrund seiner diffamierenden und
„die so benannte Person und alles, was mit ihr
desavouierenden Funktion auf journalistischen
zusammenhängt, disqualifizieren“ (Diederich-
und alltagssprachlichen Diskursebenen ebenso
sen 1996, 116). Gleichzeitig sind Bedeutungs-
wie im ideologischen Vokabular der FPÖ einer
verschiebungen möglich, da Inhalt und Zu-
schreibungen des „Gutmenschen“-Begriffes
Rothschild meint, erscheint „nichts anstößiger
weitestgehend – aber ausschließlich im negati-
als der Verdacht, man könnte ein guter Mensch
ven Konnotationsspektrum – offen und varia-
sein, und Korrektheit ist, begleitet vom Attribut
‚politisch‘, offenbar ein grandioser Makel“
In Österreich dürfte ein Essay von Konrad
Paul Liessmann, der 1992 erstmals auf der
Das für den österreichischen „Gutmenschen“-
Kommentarseite des Standard publiziert wur-
Diskurs wohl prägendste Jahr war 1999, als in
de, modellbildend für den Gebrauch des nega-
den öffentlichen Diskursen vor allem über den
tiv konnotierten „Gutmensch“-Begriffes gewe-
Erstickungstod von Marcus Omofuma im Bei-
sen sein. Liessmann (1996) integrierte in seine
sein österreichischer Fremdenpolizisten (1. Mai
1999), dem FPÖ-Erfolg bei den Nationalrats-
nalisiert. Mittlerweile genügt die Nennung von
wahlen (3. Oktober 1999) und den darauf fol-
„political correctness“ oder „Gutmenschen“,
genden öffentlichen Protesten (anti-rassistische
denn aufgrund der dominanten negativen Kon-
und anti-faschistische Demonstration am 12.
notation und spezifischen Assoziationen wird
November 1999) der negative Begriff „Gut-
verstanden, was damit und wie es gemeint ist.
mensch“ dermaßen fest im journalistischen und
Somit ist der Diskurs zu „political correctness“
alltagssprachlichen Wortschatz verankert wur-
als indirekter und symbolischer Diskurs zu be-
de, dass es doch überrascht, dass „Gutmensch“
werten, der mittels Anspielungen und Andeu-
nicht zum österreichischen „Wort des Jahres“
gewählt, sondern knapp von „Sondierungsge-
Aufgrund der deutlichen männlichen Domi-
sprächen“ geschlagen wurde (Kurier, 16. 12.
nanz, der re-patriarchalisierenden Funktion so-
wie der weiblichen (bzw. unmännlichen) Kon-notation des „political correctness“-Konstruk-tes ist dieser Diskurs außerdem als männlicher
Resümee
Diskurs zu identifizieren. Schließlich wird derDiskurs effektiv für antisemitische, rassistische,
VertreterInnen der „Neuen Rechten“ beteili-
revisionistische, antifeministische und sexisti-
gen sich ebenso wie traditionelle Rechts-
extremistInnen und (Neo-)Konservative an der
Aufgrund seiner Geschichte, seines politi-
Strukturierung des Anti-„pc“-Diskurses und
schen Kontextes (Historikerstreit, Walser-De-
profitieren wesentlich von der Etablierung die-
batte, FPÖ-Wahlerfolg etc.), seiner ideologi-
ses Stigmawortes. Dabei stellte der reaktionäre
schen Funktion (Re-Etablierung antisemitischer
und wertkonservative Charakter des Diskurses
Codes, Enttabuisierung rassistischer und revi-
der „Neuen Rechten“ jene diskursiven und se-
sionistischer Inhalte, antifeministischer Back-
mantischen Vehikel zur Verfügung, die die Plat-
lash), seines „Ortes“ (Zur Zeit, Aula, Presse,
zierung und Integration rechtsextremer Topoi
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die Zeit etc.)
(Neorassismus, NS-Relativierung, nationale
und seiner Methoden kann der Diskurs außer-
Identität & selbstbewusste Nation, Antifemi-
dem als symptomatisch für die politische Kul-
nismus, etc.) im öffentlichen Diskurs erheblich
tur Österreichs und der BRD – basierend auf
der postnationalsozialistischen Vergangenheit
Bei einer genauen Betrachtung des Diskur-
der beiden Staaten – gewertet werden.
ses, der Funktionen des Begriffes sowie der ide-ologischen Ausrichtung ist daher die Überein-stimmung der Intention, Funktion und Ziele mit
rechtsextremen Ideologiemerkmalen – anti-
Behrens, Michael/Robert v. Rimscha (1995). „Politische
emanzipatorisch, antipluralistisch, antiliberal
Korrektheit“ in Deutschland. Eine Gefahr für die
und antidemokratisch (Holzer 1993) – deutlich
zu erkennen. Mit Hilfe der Darstellung und
Bernstein, Richard (1990). The Rising Hegemony of the
Analyse der dominanten Strukturen des rech-
Politically Correct, in: New York Times, 28. Okto-ber 1990.
ten Redens gegen „political correctness“ kann
Diederichsen, Diedrich (1996). Politische Korrekturen,
dieses Phänomen den „neurechten“ Durchdrin-
gungs- bzw. Normalisierungsdiskursen zugeord-
Dieman, Kurt (2000). Briefe eines gelernten Österrei-
net werden. Denn im Diskurs zu „political
correctness“ kamen typische „neurechte“
Frank, Karsta (1996a). PC-Diskurs und neuer Anti-
feminismus in der Bundesrepublik, in: Das Argu-
Diskursstrategien zur Anwendung. „PC“ wur-
de diffamiert und verhöhnt, ebenso wie die sub-
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sumierten Positionen und Inhalte delegitimiert
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wurden. Neue „Opfer“ und „TäterInnen“ wur-
verwendung in der politischen Kommunikation,
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Selbstkontrolle? Vom Tabubruch zur politischen
Schacht, Ulrich (1994). Stigma und Sorge. Über deut-
Adresse: Institut für Konfliktforschung, Lisztstraße
sche Identität nach Auschwitz, in: Schwilk, Heimo/
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