Chronische lymphatische leukämie

Chronische lymphatische Leukämie Stand 13.12.2006 Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie Chronische lymphatische Leukämie
Autoren: M. Hallek, B. Eichhorst, P. Dreger
Expertengruppe: H. Döhner, P. Dreger, B. Eichhorst, B. Emmerich, M. Hallek
1. Definition und Basisinformation
Die WHO-Klassifikation (s. B-9.1) beschreibt die chronische lymphatische Leukämie (CLL) als lymphozytisches Lymphom, das durch einen leukämischen Verlauf charakterisiert ist. Nach WHO ist die CLL dabei immer eine B-Zell-Neoplasie. Die früher als T-CLL bezeichnete Entität wird nun T-Prolymphozytenleukämie (T-PLL) Mit einer Inzidenz von 3-4 pro 100.000 Einwohner pro Jahr ist die CLL die häufigste Leukämie der westlichen Hemisphäre. Das mediane Alter bei Erstdiagnose liegt bei 65 Jahre. Männer erkranken häufiger als Frauen (M:F = 1,7:1). Die Erkrankung ist durch den Knochenmarkbefall mit peripherer Lymphozytose charakterisiert, welche häufig zufällig festgestellt wird und zur Diagnosestellung führt. Mit Fortschreiten der Erkrankung treten eine generalisierte Lymphadenopathie, Spleno- und Hepatomegalie, sowie Zeichen der zunehmenden Knochenmark- insuffizienz und ggf. autoimmun bedingte Zytopenien auf. Klinische Folgen können sich im Sinne von B-Symptomen und einer vermehrten Infektneigung manifestieren. 2. Diagnostisches Vorgehen
Das diagnostische Vorgehen richtet sich nach der primären Befundkonstellation, in der Regel charakterisiert durch das Leitsymptom Leukozytose mit oder ohne Folgende diagnostische Maßnahmen sind indiziert: Anamnese: Leistungsschwäche, B-Symptome, Infektneigung etc. Besonders wichtig: Informationen über frühere Blutbilder/Leukozytenwerte Klinische Untersuchung: Lymphknotenstatus, Organomegalie, Blutungs- und Chronische lymphatische Leukämie Stand 13.12.2006 Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie • Labor: Richtungsweisende Informationen liefert das Differentialblutbild mit Lymphozytose und Gumprecht’schen Kernschatten. Außerdem: LDH, CRP, Elektrophorese. Nach Diagnosesicherung sind zusätzlich Haptoglobin und Coombs-Test zum Ausschluss einer latenten Immunhämolyse durchzuführen. Röntgenaufnahme des Thorax: Mediastinale Lymphknotenvergrösserung? Pleuraerguss? Zeichen einer inaktive Tuberkulose? 2.1. Diagnosesicherung
Deuten die obigen Befunde auf das Vorliegen einer CLL, sind eine zytologische und durchflusszytometrische Untersuchung des peripheren Blutes durchzuführen. Nach den Kriterien der International Workshop CLL (IWCLL) Working Group on Prognostic and Diagnostic Parameters in CLL von 2006 wird die Diagnose einer CLL durch den Nachweis folgender Kriterien gesichert 1 : a) Vorherrschen kleiner, morphologisch reif wirkender Lymphozyten in der b) Koexpression von CD19, CD20, CD23 und CD5. Charakteristisch ist die relativ schwache Expression von CD20. Durch die Leichtkettenrestriktion (κ oder λ), vor- zugsweise durch Doppelmarkierung von CD19/kappa oder CD19/lambda, kann die Monoklonalität der Zellen bewiesen werden. Für die Diagnose der CLL wird Lymphozytose im peripheren Blut von >=5 G/l gefordert (Cheson NCI 1996)2. Liegen die CLL-typischen, zytologischen und immunphänotypischen Befunde bei Lymphozytenzahlen unter 5 G/l vor, dann spricht man von einer monoklonalen Lymphozytose.unbekannter Signifikanz (MLUS). Eine Knochenmarkpunktion ist zur Diagnosestellung in der Regel nicht notwendig. Sie kann jedoch im Krankheitsverlauf zur Beurteilung unklarer Zytopenien bzw. zur Messung der Remissionsqualität im Rahmen klinischer Studien erforderlich werden. Eine Lymphknotenbiopsie ist bei Lymphadenopathie und einer ansonsten unklaren diagnostischen Situation, z.B. Verdacht auf eine Transformation in ein aggressives Chronische lymphatische Leukämie
Stand 13.12.2006
Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie
2.2. Differentialdiagnosen
reaktive Lymphozytose (virale Infekte, Kollagenosen), andere leukämisch verlaufende Lymphome (z.B. Haarzellleukämie, follikuläres Lymphom, lymphoplasmozytisches Lymphom, Marginalzonenlymphome, Mantelzelllymphom, B- 3. Stadieneinteilung und Prognosefaktoren
Für die Stadieneinteilung nach Binet 1 (in Europa die gebräuchlichere, siehe Tabelle 1) oder Rai 3 ist lediglich eine körperliche Untersuchung, sowie eine Blutbildanalyse Tabelle 1: Stadieneinteilung nach Binet (1981) Hb = Hämoglobin; TZ = Thrombozyten; LK = Lymphknoten Zu den LK-Regionen zählen zervikale, axilläre, inguinale LK-Vergrößerungen unilateral oder bilateral, Die Ergebnisse apparativer Untersuchungen (Sonografie, CT) sind für die
Stadieneinteilung unerheblich!
Die in jüngerer Zeit identifizierten biologischen und genetischen Prognosefaktoren wie Serumthymidinkinase 4, Lymphozytenverdoppelungszeit 5, Mutationsstatus des Immunglobulinschwerketten-VH-Gens 6,7, zytogenetische Aberrationen 8, ZAP70- Expression 9,10 bedürfen weiterhin der prospektiven Validierung und sind derzeit keine Grundlage für eine Therapieentscheidung 1. Ihre Bestimmung erscheint daher außerhalb klinischer Studien nicht indiziert. Die einzige Ausnahme sind Läsionen des p53-Gens bzw. des kurzen Arms von Chromosom 17 (del 17p13) dar, die mit einer Resistenz gegenüber Purinanaloga und extrem ungünstiger Prognose assoziiert sind Chronische lymphatische Leukämie Stand 13.12.2006 Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie und zum primären Einschluss in alternative Therapieprotokolle (Alemtuzumab, 4. Therapie
Die CLL ist durch die üblichen Chemo(immun)therapien bisher nicht heilbar. Die einzige kurative Option besteht derzeit in der allogenen Stammzelltransplantation. Grundsätzlich besteht eine Indikation zur zytoreduktiven Therapie immer im Stadium C, daneben im Stadium Binet B bei B-Symptomen oder schmerzhaft vergrößerten Lymphknoten, zunehmender Vergrößerung von Lymphknoten und/oder Milz, sowie progressiver Hyperleukozytose 1. Im Binet-Stadium A besteht – außerhalb von Studien - keine Therapieindikation, es sei denn der Patient leidet unter sehr starken, Therapie-bedürftigen B-Syptomen oder unter einer progressiven Hyperleukozytose . 4.1. Therapie im frühen Stadium
Im Binet-Stadium A sollte grundsätzlich keine Therapie außerhalb von Studien begonnen werden, außer bei gravierenden Symptomen. 4.2. Therapie im fortgeschrittenen (symptomatischen) Stadium
Bei körperlich robusten Patienten mit normaler Nierenfunktion und geringer Komorbidität besteht die Erstlinientherapie der Wahl außerhalb klinischer Studien in der Kombinationstherapie Fludarabin plus Cyclophosphamid 11: Der Stellenwert der Kombination mit dem Antikörper Rituximab wird derzeit noch in randomisierten Studien getestet und stellt derzeit nicht die Standardtherapie dar. Für Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion und mehr Komorbidität stehen zwei alternative Optionen zur Verfügung, Chlorambucil oder Fludarabin 12: a) Chlorambucil 0,4 mg/kg Körpergewicht d1 p.o., Wiederholung Tag 15, Dosis- steigerung um 0,1 mg/kg bis auf max. 0,8mg/kg oder Zeichen der Toxizität, max. 12 Monate dauernde Therapie. Es gibt zahlreiche davon abweichende Dosierungs- schemata des Chlorambucil, deren Stellenwert nicht vergleichend geprüft wurde. b) Fludarabin 25 mg/m² d1-5 i.v., Wiederholung Tag 29, 6 Zyklen oder bei eingeschränkter Nierenfunktion oder ausgeprägter Komorbidität. Fludarabin 30 mg/m² d1,3,5 i.v., Wiederholung Tag 29, 6 Zyklen Chronische lymphatische Leukämie Stand 13.12.2006 Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie Der Stellenwert der autologen und allogenen Stammzelltransplantation in der Erstlinientherapie ist nicht gesichert und sollte nur im Rahmen von Studien bei 4.3. Therapie im Rezidiv
Die Auswahl der Rezidivtherapie hängt von verschiedenen Faktoren ab. Dies sind neben Alter und Komorbidität des Patienten vor allem klinische Parameter wie die Art der Primärtherapie und die damit erreichte Remissionsdauer. Bei gutem Ansprechen und einer Remissionsdauer von mindestens 1 Jahr nach der Primärtherapie (bei den potenteren Chemoimmuntherapien wie Fludarabin/Cyclophosphamid + Rituximab mindestens 2 Jahre) kann man dasselbe Regime wiederholen. Bei einer Remissions- dauer von unter einem Jahr nach der Primärtherapie wird empfohlen, die Therapie zu wechseln; zum Beispiel auf eine Fludarabin-Monotherapie nach primärem Chlorambucil; auf eine Fludarabin-Kombinationen nach Fludarabin-Monotherapie etc. Neben Chemoimmuntherapien wie FCM oder FCR steht der Antikörper Alemtuzumab zur Verfügung. Bei Fludarabin-refraktären Patienten und Patienten mit einer 17p- Deletion können mit Alemtuzumab noch Ansprechraten von über 50% erreicht werden. Auch das Bendamustin ist für die Rezidivtherapie zugelassen und Für Patienten mit Hochrisiko-CLL stellt die allogene Stammzelltransplantation eine Option dar, sofern eine ausreichende Fitness des Patienten vorliegt 12,13. Die allogene Stammzelltransplantation sollte innerhalb klinischer Studien erfolgen. 4.4. Supportive Therapie und Therapie von Komplikationen
Patienten im typischen höheren Lebensalter zeigen häufig im späteren Krankheits- verlauf chronische Infektionskomplikationen, die durch die Abnahme der Immun- globulinkonzentrationen und weitere Mechanismen eines erworbenen Immundefizits verstärkt werden. Besonders sorgfältige Überwachung, intensiver allgemeine internistische Behandlung z. B. bei chronischer oder rezidivierender Bronchtitis ist angebracht. Intravenöse Gaben von Immunglobulinen nur bei IGG-werten unter 0,5 g/L und zunehmend häufig rezidiverenden oder sehr schweren bakteriellen Infekten. Altersentsprechende Impfungen (z. b. Influenza, Pneumokokken werden empfohlen, obwohl die Bildung spezifischer Antikörper vermindert sein kann. Reise- impfungen nur nach Rücksprache mit dem betreuenden Facharzt, da Lebend- Chronische lymphatische Leukämie Stand 13.12.2006 Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie Behandlung symptomatischer autoimmunhämolytische Anämien siehe Anämien. 5. Literatur
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Klinik I für Innere Medizin Universität zu Köln Kerpenerstr. 62 50924 Köln

Source: http://www.med2-kiel.uk-sh.de/uksh_media/Dateien_Kliniken_Institute+/Kiel+Campuszentrum+/Med2_KI/Dokumente/Dokumente+WissLab/DGHO+Leitlinie+CLL.PDF

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